Viel Charakter gezeigt – trotzdem Verloren

«Meine Mannschaft hat ohne zwei ganz wichtige Leistungsträger eine tolle Moral gezeigt. Leider brachte wir in entscheidenden Situationen das Leder nicht unter, fehlte uns zudem das berühmte Quäntchen Glück, um vielleicht einen Zähler zu entführen», bilanzierte Adalsteinn Eyjolfsson, der Coach des ThSV Eisenach, nach der knappen 27:29 (12:17)-Niederlage bei der SG BBM Bietigheim.
Die Wartburgstädter mussten auf ihre zu Auswahlaufgaben weilenden Nationalspieler Tomas Sklenak (Tschechien) und Girts Lilienfelds (Lettland) verzichten. Die Verantwortlichen der SG Bietigheim hatten mehrfache Ersuchen des ThSV Eisenach seit dem Sommer um eine Spielverlegung kategorisch abgelehnt.
Zusätzliches Handicap: Daniel Luther war aufgrund von Rückenproblemen nur begrenzt einsetzbar. Roel Adams übernahm die Sklenak-Rolle als Spielgestalter, Duje Miljak besetzte nahezu durchgehend den rechten Rückraum. Eryk Kaluzinski übernahm im linken Rückraum viel Verantwortung. Dieser war maßgeblich an der Aufholjagd beteiligt. Nach 25 Minuten lagen die Eisenacher mit sieben Treffern im Rückstand (10:17), nach 45 Minuten führten sie durch einen Kaluzinski-Dreierpack mit 21:20. Nach einer geharnischten Pausenansprache ihres Trainers brannte das Feuer der Leidenschaft. Die big points setzten allerdings die Hausherren nach dem 24:24 (52.) zum 27:24 (56.), wobei die Eisenacher nicht nur in dieser Phase mit den Spielleitern Christoph Maier/Michael Kilp haderten. Fakt aber auch, Branimir Koloper und Nick Heinemann brachten in dieser Phase das Leder nicht an Bietigheims Schlussmann Milos Hacko vorbei.
«Dieser hielt den Sieg für seine Farben fest», anerkannte Karsten Wöhler, der Geschäftsführer der ThSV-Marketing GmbH. Es spreche für die Qualität des Eisenacher Kaders, dass trotz des Fehlens von Tomas Sklenak und Girts Lilienfelds ein Punkt in Reichweite und dieser wohl auch verdient gewesen wäre.
Die Wartburgstädter fighteten vorbildlich, Eryk Kaluzinski traf mit seinem siebenten Treffer 37 Sekunden vor Ultimo nochmals zum Anschluss. Patrick Rentschler raubte mit seinem Tor zum 29:27 den Eisenachern den letzten Hoffnungsfunken.

Kapitän Benjamin Trautvetter: Nicht clever genug, um Zählbares mitzubringen
«Wir waren in der ersten Halbzeit auch von der Körpersprache nicht präsent genug. Deutliche Worte in der Kabine waren die logische Folge. Mit unserer nach dem Seitenwechsel veränderten Abwehr, mit viel Aggressivität umgesetzt, lagen wir richtig. Die in Kauf genommen Rückraumwürfe der Gastgeber, insbesondere von Robin Haller, meisterte Stanislaw Gorobtschuk. Auch ohne Tomas Sklenak und Girts Lilienfelds hatten wir eine starke Mannschaft zur Stelle. Roel Adams, obwohl sonst nur Kurzeinsätze, zeigte sich – quasi ins kalte Wasser geworfen – keineswegs ängstlich, führte selbstbewusst unser Spiel in der Regierolle. Der Lohn unseres Zwischenspurtes, die eigene 21:20-Führung. Unser Manko, wir waren nicht clever genug, diesen Vorsprung zu behaupten. Ich selbst scheiterte beim Stand von 24:23 für Bietigheim am Torhüter. Nick Heinemann gelangen dann zwei Ballgewinne, von denen wir aber nur einen zum 24:24-Ausgleich verwerten konnten. Uns fehlte in der Schlussetappe die Abgezocktheit, um Zählbares mitzubringen», schilderte Eisenachs Kapitän Benjamin Trautvetter seine Sicht auf die sechzig Minuten in der Sporthalle Am Viadukt in Bietigheim.

Zu passiv in der Abwehr – 7-Tore-Rückstand
So richtig an eine Chance schienen die Thüringer zunächst jedoch nicht zu glauben. «Wir agierten einfach zu passiv», ärgerte sich ThSV-Coach Adalsteinn Eyjolfsson. Der 3:2:1-Abwehr fehlte es an Aggressivität. Torhüter Radek Musil bekam an seinem 38. Geburtstag zudem kaum einen Ball vor der Linie zu fassen. Im Angriff unterliefen viele individuelle Fehler. Nach dem 0:1 (Trautvetter, 1. Min.) übernahmen die Hausherren mit viel Angriffspower das Zepter. Regisseur Nico Kibat, der aus dem Rückraum erfolgreich abziehende Robin Haller und Patrick Zieker von Linksaußen setzten die Akzente für die SG Bietigheim und trafen zum 8:4 (10.). Die Eisenacher hingegen scheiterten bereits in der Anfangsphase mehrfach an Routinier Milos Hacko. Der inzwischen 37-jährige Keeper, im Vorjahr bei Erstbundesligist HSG Wetzlar und davor viele Jahre die «Nichtabstiegsgarantie» von Zweitbundesligist Tuspo Obernburg, lief zu großer Form auf. Eine frühzeitige Auszeit, (10.), eine Umstellung der Abwehr auf ein defensives 6:0-System und ein Torwartwechsel (Stanislaw Gorobtschuk kam nach 13 Minuten) fruchteten nur kurzzeitig. Nick Heinemann und Daniel Luther verkürzten (12:9, 17.). Unplatzierte Würfe (Miljak) wurden abgeblockt oder eine sichere Beute von SG-Keeper Milos Hacko. Dessen Vorderleute schlossen ihre Angriffszüge konsequent ab. Eisenachs Adrian Wöhler scheiterte an Milos Hacko, im Gegenzug versenkte Andreas Blodig zum 17:10 (25.). Die Eisenacher versuchten es mit einer weiteren Deckungsumstellung, wechselten für eine 4:2-Variante den jungen Philipp Lindner ein. Dessen Abwehraktion vor der Pause stuften die Unparteiischen Maier/Kilp als Rot würdig ein, sodass für das 20-jährige Eigengewächs die Partie vor dem Seitenwechsel beendet war und der Eisenacher Kader auf neun Feldspieler schrumpfte. (Youngster Konstantin König hielt sich für den Notfall bereit.) Nick Heinemann und Branimir Koloper (mit der Pausensirene) reduzierten den Rückstand auf fünf Treffern.

Furiose Aufholjagd – Am Ende jubeln jedoch die Gastgeber
Den klaren Worten in der Halbzeitpause folgten die Taten auf dem Parkett. Endlich wurde eine 3:2:1-Abwehr mit Biss gezeigt, konnte auch Stanislaw Gorobtschuk im ThSV-Kasten mehrere Bälle parieren. «Ballgewinne waren der Lohn der couragierten Abwehrarbeit», befand Mannschaftsleiter Knut Schauer. Das Angriffsspiel der Hausherren kam mächtig ins Stottern.
«Uns unterliefen viele technische Fehler, Nervosität zog ein» gestand Jochen Zürn, der Coach der SG Bietigheim, als Folge der Eisenacher Abwehrarbeit. Seinem Team fehle da noch die Abgeklärtheit. Diese fehlte aber auch den Thüringern an diesem Tag von der Siebenmeterlinie. Von vier Strafwürfen brachten sie nur einen auf direktem Weg unter. Aber auch das stoppte die famose Aufholjagd nicht. Die grüne Karte von SG-Coach Jochen Zürn (35.) brachte seinem Team nur eine kurze Verschnaufpause. Adrian Wöhler, Branimir Koloper, Nick Heinemann und Duje Miljak netzten zum Anschlusstreffer ein (39.). Der ThSV-Express stand unter Hochspannung. Bietigheims Christian Heuberger scheiterte an Stanislaw Gorobtschuk im Eisenacher Kasten.
Sekunden später zirkelte Nick Heinemann das Leder von Rechtsaußen zum 18:18-Ausgleich in die Maschen (41.). Der 7-Tore-Rückstand war aufgeholt. Eryk Kaluzinski explodierte aus dem Rückraum, brachte seine Farben gar mit 21:20 (45.) in Führung. Die SG Bietigheim kam mächtig ins Straucheln. Doch sie hatte ja ihren Rettungsanker Milos Hacko, der beim Stand von 24:23 für die Hausherren im Siebenmeterduell mit Eisenachs Kapitän Benjamin Trautvetter Sieger blieb (51.) und auch wenig später Adrian Wöhler das Leder abkaufte. Beim scharf und platziert abgezogenen Duje-Miljak-Ball zum 24:24 hatte er jedoch das Nachsehen (52.). Doch dann scheiterten Branimir Koloper und Nick Heinemann am Routinier im Gastgeberkasten, während Patrick Zieker, Christian Schäfer (höchst umstritten) und Patrick Rentschler zum 27:24 für die Hausherren versenkten (56.). Alles Aufbäumen der Thüringer half nicht mehr. Die SG BBM Bietigheim bejubelte ausgelassen den Sieg, nutzte den Vorteil des reduzierten Kaders des ThSV Eisenach.
Nachdenken sollten freilich die HBL-Verantwortlichen in der Handhabe bei Mannschaften aus der 2. Bundesliga mit Nationalspielern anderer Nationen. Nicht jeder Club folgt dem Beispiel des SC Empor Rostock, der einer Spielverlegung seiner Partie beim ASV Hamm, der zwei tschechische Nationalspieler am Wochenende abstellte, unkompliziert zustimmte…..

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Statistik

SG BBM Bietigheim: Hacko, Welz; Haller (5), Rentschler (3), Kibat (3/1), Knierim, Heuberger (3), Schäfer (4), Coors (1), Bodig (4), Hinz, Freudl, Zieker (6), Schulz

ThSV Eisenach: Musil, Gorobtschuk (13.-57.); Trautvetter (3/1), Wöhler (2), Luther (1), Miljak (5), Kaluzinski (7), Adams (1), Schiffner, Heinemann (6), Koloper (2), Lindner

Siebenmeter: Bietigheim 1/1 – Eisenach 4/1

Zeitstrafen: Bietigheim 2 x 2 Min. – Eisenach 2 x 2 Min., Disqualifikation Lindner (30.)