Von allen guten Geistern verlassen
Nein, das war nicht jener ThSV Eisenach, der zwei Tage vor dem Weihnachtsfest die Füchse Berlin mit 23:22 bezwungen hatte. Die Wartburgstädter schienen in der Lipperlandhalle von allen guten Geistern verlassen.
Sie mussten auf die Langzeitverletzten Girts Lilienfelds, Hannes Jon Jonsson und Branimir Koloper sowie auch Dener Jaanimaa verzichten. Der junge Linkshänder konnte aufgrund einer Prellung nach einem Schlag auf die Wurfhand beim Spiel gegen die Füchse Berlin die Partie in Lemgo nur von der Wechselbank verfolgen.
Der mit voller Kapelle auflaufende Tabellen-Neunte TBV Lemgo bejubelte vor 4222 Zuschauern einen 40:22 (20:10)-Kantersieg über die Thüringer. «Der Sieg über die Füchse Berlin hat viel Kraft gekostet. Wir haben in Lemgo nach acht Minuten komplett unsere Linie verloren, das ABC des Handballs vergessen. Unsere vielen technischen Fehler hat der TBV Lemgo professionell ausgenutzt, uns gnadenlos ausgekontert. Von all unseren Stärken war nichts zu sehen. Wir haben es Lemgo leicht gemacht. Bei unseren vielen mitgereisten Fans müssen wir uns für diese Leistung entschuldigen», erklärte Adalsteinn Eyjolfsson, der Coach des ThSV Eisenach.
Der übergroße Teil der Eisenacher Anhänger unterstützte das Team unüberhörbar bis zur letzten Sekunde.
«Wir hatten das Füchse-Spiel der Eisenacher genau analysiert und großen Respekt vor den Thüringern. Was wir dann boten, war ganz großes Kino. Die Abwehr stand kompakt, hervorragendes Umschalten auf Angriff, gute taktische Lösungen und der seit Wochen erfolgreiche Tempogegenstoß», strahlte Niels Pfannschmidt, der Coach des TBV Lemgo, der seine junge Mannschaft trotz der Unkenrufen zum Saisonstart in ruhiges Fahrwasser führte. «Wir genießen die Pause und die Tabelle und stellen uns neue Ziele», fügte Niels Pfannschmidt an.
Eisenach verteilt reichlich Geschenke
Am zweiten Festtag verteilten die Eisenacher, obwohl in der erfolgreichen Formation vom Paukenschlag über die Füchse Berlin beginnend, reichlich Geschenke. Technische Fehler zuhauf wurden von den Hausherren dankend zu Tempogegenstößen genutzt. Dem Eisenacher Angriff fehlten Biss, Kreativität und Präzision, um die Abwehr des TBV Lemgo in Bedrängnis zu bringen. Einzig der erneut im rechten Rückraum aufgebotene Faruk Vrazalic (insgesamt 10 Treffern, 5 per Strafwurf) fand das richtige Rezept. Die Abwehr der Wartburgstädter hingegen agierte viel zu passiv. Die Offensivabteilung des TBV Lemgo kombinierte nach Herzenslust wie im Training. Egal welches Abwehrsystem, egal in welcher Besetzung, die Eisenacher sahen nach dem finalen Pass nur die Hacken der Gastgeber.
Nach dem 3:2 (6.), zwei Jurdzs-Treffer ließen Eisenach hoffen, überrollte der TBV-Express die Wartburgstädter. Arnoldus Haenen (insgesamt 7 Treffer) schloss Tempogegenstöße kaltblütig ab. Der großgewachsene Finn Lemke konnte immer wieder aus dem linken Rückraum aus der Bewegung kommend scharf und präzise abziehen, netzte mit seinem fünften Treffer zum 11:6 (18.) ein. Gelungene Aktionen, wie das Zuspiel von Tomas Sklenak zum in den Kreis fliegenden Faruk Vrazalic (16.), besaßen auf Eisenacher Seite Seltenheitswert. Nicolai Hansen rackerte am Kreis, hatte gegen den resoluten Innenblock auf der Gegenseite einen schweren Stand. ThSV-Keeper Rene Villadsen parierte einen Siebenmeter, doch im Nachwurf versenkte Timm Schneider zum 12:7 (19.). Das Unheil nahm aus Eisenacher Sicht seinen Lauf. Daran änderte auch die zweite grüne Karte von Trainer Adalsteinn Eyjolfsson und einige personelle Veränderungen beim Stande von 14:7 (21.) nichts. Der TBV Lemgo überrollte den ThSV Eisenach zum 18:8 (27.). TBV-Coach Niels Pfannschmidt wechselte bereits munter durch. Der ThSV Eisenach hatte beim Gang zu den Pausengetränken bereits 20 Gegentreffer kassiert!
TBV Lemgo spielt sich in einen Rausch
Wer im Eisenacher Lager auf Besserung hoffte, sah sich enttäuscht. Die Ballstafette zu Rechtsaußenposition, die Nick Heinemann erfolgreich abschloss (33.), erwies sich als Strohfeuer. Das junge Team des TBV Lemgo, bei dem der inzwischen 36-jährige Florian Kehrmann seine Abschiedssaison bestreitet, dominierte eindeutig. Ein Eisenacher Fehlerfestival schier ohne Ende führte zum 28:11 nach knapp 8 Minuten der zweiten Halbzeit! Der TBV Lemgo demonstrierte sichtliche Freude am gemeinsamen Handballspielen und demontierte den ThSV Eisenach. Ein Luther-Ball rutschte über die Linie und bedeutete den zwölften ThSV-Treffer (28:12, 38.). Timm Schneider traf für den TBV Lemgo schier nach Belieben, wie beim 31:13 (43.). Wenn Faruk Vrazalic aus dem Rückraum anruckte, drohte dem TBV-Kasten Gefahr.
Er steckte einen ausgelassenen Strafwurf weg, versenkte sechs von fünf Siebenmetern. Kombinierten die Eisenacher zu den Kreispositionen, wussten sich die Hausherren mehrfach nur regelwidrig zu wehren. Nick Heinemann wurde nur auf Kosten eines Strafwurfes gestoppt (51.). Die Lipperlandhalle bejubelte wenig später den zehnten Treffer von Timm Schneider zum 37:18 (53.). Inzwischen beteiligten sich auch Lemgos blutjunge Reservisten am munteren Torwerfen. Freudetrunken forderte die einheimische Anhängerschaft den 40. Treffer. Der ins ThSV-Gehäuse gekommene Stanislaw Gorobtschuk zögerte mit mehreren gelungenen Paraden diesen bis zur Schlussminute hinaus. Von der Siebenmeterlinie knackte dann doch Arnoldus Haenen diese magische Grenze. Im Lemgoer Lager konnte sich im Anschluss keiner erinnern, wann letztmalig 40 Tore erzielt wurden.
Erstbundesligadebüt von Moritz Rahn
In der Schlussphase der Partie feierte auf der Linksaußenposition der 18-jährige Moritz Rahn sein Erstbundesligadebüt beim ThSV Eisenach. Der aus Mühlhausen (Unstrut-Hainich-Kreis) stammende Blondschopf gehört zum Nachwuchsprojekt des ThSV Eisenach, wohnt mit weiteren 24 Handballtalenten zwischen 13 und 18 Jahren aus dem gesamten Bundesgebiet im Sportinternat des ThSV Eisenach. Diese trainieren unter leistungssportlichen Gesichtspunkten einhergehend mit schulischer und beruflicher Ausbildung. Die nächste bundesweite Sichtung findet vom 10. bis 12.Januar 2014 statt. Interessenten können sich noch melden per mail unter christianroch@thsv-eisenach.de .
Statistik
TBV Lemgo: Bauer, Dresrüsse; Lönn (3), Bechtloff (1), Kehrmann, Possehl (1), Schneider (10), Hermann (4), Pekeler (2), Lemke (7), Herth (2), Haenen (7/3), Zieker (3), Niemeyer
ThSV Eisenach: Villadsen, Gorobtschuk; Rahn, Trautvetter (1), Elisson (2), Sklenak (1), Wöhler (1), Jurdzs (2), Luther (1), Pucelj, Hansen (2), Vrazalic (10/5), Heinemann (2), Jaanimaa
Siebenmeter: TBV Lemgo 4/3 – ThSV Eisenach 6/5
Zeitstrafen: TBV Lemgo 3 x 2 Minuten – ThSV Eisenach 2 x 2 Min.
Schiedsrichter: Blümel/Loppaschewski (Berlin)