Wer sich kein Ziel setzt, kann es auch nicht erreichen!

Im Interview: Dirk Schnell, Coach der erfolgreichen männlichen Jugend C des ThSV Eisenach

Zwei Endfünfziger ließen die Handball-Leidenschaft bei 12- bis 14-jährigen Jungen lodern. Das Trainerteam Dirk Schnell und Detlef Henkel, der einstige Nationalspieler und der ehemalige Eisenacher Erstligakapitän, führten die männliche Jugend C des ThSV Eisenach gerade zu Bronze bei der Mitteldeutschen Meisterschaft dieser Altersklasse. Ein lang ersehnter Erfolg auch für den Thüringer Handball!

Wir sprachen mit Dirk Schnell:
Hinter der ThSV-C-Jugend liegt eine erfolgreiche Saison: ungeschlagener Thüringer Landesmeister; mit einem 30:20-Erfolg über die NSG EHV/Nickelhütte Aue Einzug in die Finalrunde um die Mitteldeutsche Meisterschaft und am Wochenende – quasi als Krönung – in der heimischen Werner-Aßmann-Halle durch ein 25:24 im kleinen Finale über den BSV Magdeburg die Bronzemedaille in der Meisterschaft des Mitteldeutschen Handballverbandes. Wie sehen Sie die Saison 2017/2018?
Der 3. Platz beim Final Four um die Mitteldeutsche Meisterschaft war Ausdruck unserer zwei-jährigen Arbeit mit diesem Kaderkreis, der Lohn für Einsatzbereitschaft und Zielstrebigkeit der Spieler. Bis auf einen Ausrutscher beim Remis im Auswärtsspiel beim HV Ilmenau eroberten wir überlegen die Thüringer Landesmeisterschaft. Die gewachsene Leistungsstärke und mannschaftliche Geschlossenheit gipfelte in der MHV-Vorrunde in Magdeburg im souveränen Sieg über Aue. Das war die beste Leistung unserer Mannschaft in den vergangenen zwei Jahren. Sie war zugleich Beleg, dass wir auch außerhalb Thüringens mit leistungsstarken Mannschaften mithalten können. Beigetragen dazu haben Teilnahmen an internationalen (in Paris) und nationalen (in Göttingen, Münster) Turnieren. Sich mit Kontrahenten außerhalb Thüringens zu messen, das war sehr wichtig. Schritt für Schritt ging es vorwärts, in punkto Geschlossenheit und Leistung, bis zum absoluten Saisonhöhepunkt am Wochenende, mit dem Sieg in einem auf hohem Niveau stehenden kleinen Finale. Emotionalität und Cleverness vereinigten sich. Erstaunlich ist die Entwicklung der Fähigkeit unserer Mannschaft, vorgegebene taktische Konzepte und Analysen zum Kontrahenten im eigenen Spiel umzusetzen. Der Erfolg vom Wochenende steigt in der Wertigkeit, haben wir beim ThSV Eisenach doch nicht die gleichen Bedingungen wie die Teams aus den Leistungszentren Magdeburg und Leipzig, mit ihrem meist zweimaligen täglichen Trainingseinheiten und Sichtungsmaßnahmen. In Magdeburg, Leipzig und natürlich auch in Berlin trainieren Handballtalente aus ganz Deutschland. Wir können uns damit momentan nicht vergleichen.

Etliche Spieler wohnen mehrere Kilometer entfernt. Wie ist da die Trainingsbeteiligung abzusichern?
Eltern, Großeltern und Bekannte fahren Spieler aus Mühlhausen, Waltershausen, Breitungen und Sonneborn zu den Trainingseinheiten nach Eisenach. Dieses Engagement verdient allerhöchste Würdigung und Dank! Nur so konnten sich die „auswärtigen“ Spieler in Eisenach entwickeln und zu Leistungsträgern im Team aufsteigen. In der kommenden Saison, bei der Teilnahme am Punktspielbetrieb in der Mitteldeutschen Oberliga der B-Jugend, müssen wir allerdings, um konkurrenzfähig zu werden, Trainingsintensität und – umfang erhöhen!

Die deutsche Spitze ist für den ThSV Eisenach, wie die klare Niederlage gegen den SC Magdeburg gezeigt hat, weit entfernt. Außerhalb der Landesgrenzen hängen für Thüringer Nachwuchs-Handballer generell seit Jahren die Früchte schier unerreichbar hoch. Was im Freistaat zum Landesmeister reicht, bereits im Hessischen ist das zu wenig. Was muss getan werden?
In Thüringen sind Dichte und Anzahl der Nachwuchsmannschaften nicht mit denen anderer Bundesländer zu vergleichen. Warum? Wir haben in Thüringen, außer Erfurt, beispielsweise keine Ballungszentren wie im benachbarten Hessen mit Frankfurt, Kassel und Gießen. In Thüringen muss bei Kindern und Jugendlichen verstärkt für unsere faszinierende Mannschaftssportart geworben und in Zusammenarbeit mit dem THV die Anzahl der Nachwuchsmannschaften erhöht werden. Um das Leistungsniveau anzuheben, ist es aus meiner Sicht erforderlich, im D-Jugend-Alter drei Mal in der Woche und im C-Jugendbereich täglich zu trainieren, sowie die Maßnahmen des Thüringer Handballverbandes – durch den neuen Landestrainer Christian Roch initiiert – mit monatlichem Auswahltraining wahrzunehmen. Die Teilnahme an gutklassig besetzten Turnieren außerhalb Thüringens oder die Ausrichtung eigener Turniere mit Teams aus anderen Bundesländern ist eine Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln und zu lernen.

Der mannschaftliche Erfolg ist die eine Sache, die individuelle Entwicklung der Spieler die andere, vielleicht sogar die wichtigere. Wie sieht es da in Ihrem Team aus? Sind Bundesliga-Spieler von morgen dabei?
Das lässt sich heute noch nicht sagen, wer sich zu einem Bundesligaspieler von morgen entwickelt. Entscheidend hierfür sind psychische Eigenschaften, die man im Training nicht entwickeln kann. Beispielhaft sei an dieser Stelle die Willensbereitschaft genannt, ein gesetztes Ziel zu erreichen. Wer das mitbringt, hat die Grundvoraussetzung zu einem Bundesliga-Spieler. Dazu gehört in jedem Training höchste Einsatzbereitschaft, äußert sich zugleich darin, jedes Spiel gewinnen zu wollen. Wer sich kein Ziel setzt, kann es auch nicht erreichen. Einige Spieler aus unserem Team haben sich beste Voraussetzungen für höherklassige Aufgaben erarbeitet und können es schaffen, wenn sie weiter so kontinuierlich an sich arbeiten. Beispielhaft sind hier die Leistungsträger der C1 Tom Steiner, Tizian Reum, Karl-Marius Schnell, Philipp Bourtal, Paul Jegminat sowie die Torhüter Aron Büchner und Linus Trapp, zu nennen. Aber auch die hier nicht genannten Spieler haben bei kontinuierlicher und zielstrebiger Arbeit im Training noch das Zeug dazu.

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Wie geht es für die Jungs weiter. Mehrere rücken ja nun in die B-Jugend auf. In welcher Spielklasse werden Nachwuchsteams des ThSV Eisenach spielen?
Ähnlich wie vergangene Saison werden wir versuchen, unsere Talente optimal einzusetzen und zu entwickeln. Wir bringen zwei B-Jugend-Mannschaften an den Start, in der Mitteldeutschen Oberliga und in der Thüringenliga. Wir werden zudem Teams in die Thüringenligen der A- und C-Jugend entsenden. Ziel ist es wieder, leistungsstarke Spieler in der nächst höheren Spielklasse einzusetzen.

Was motiviert einen in seiner eigenen Laufbahn so erfolgreichen Ex-Nationalspieler, sich Tag für Tag zum Training mit C-Jugendlichen in der Handballhalle zu treffen?
Es bereitet mir Spaß und Freude, mit motivierten Handballtalenten zu arbeiten. Ich möchte ihnen mein fachliches Wissen und meine Erfahrungen weiter geben. Gleichzeitig ist es für mich selbstverständlich, den sportlichen Werdegang meines handballinteressierten Sohnes zu begleiten.

Mit Detlef Henkel haben Sie einen alten Motor-Eisenach-Strategen an der Seite. Wie ist die Aufgabenverteilung?
Ich freue mich, mit Detlef Henkel einen solch erfahrenen Handballer und motivierten Trainer an meiner Seite zu haben. Wir ergänzen uns im täglichen Training, jeder übernimmt bestimmte Aufgaben im Trainingsprozeß. In den Punktspielen übernimmt „Flocke“ den wichtigen Part der Statistik, der dann die Grundlage für unsere gemeinsame Auswertung des Spieles und Vorbereitung der nächsten Partien ist. Detlef „Flocke“! Henkel ist zudem der ruhende Pool, wenn ich mal zuviel Kritik geäußert habe.

Ihre Mannschaft ist der Lichtblick im Nachwuchsbereich des ThSV Eisenach. Was muss aus Ihrer Sicht die neue Vereinsführung anpacken, um einst so erfolgreiche Eisenacher Nachwuchszeiten wieder aufleben zu lassen?
Wie bereits angesprochen, im Vergleich zu den Leistungszentren in Magdeburg, Leipzig und Berlin fehlen uns erhebliche Rahmenbedingungen. Uns fehlt ein echtes Sportinternat in Zusammenarbeit mit einer Regelschule und einem Gymnasium. Dieser Punkt wurde von unserem neuen Vorstand als erstes wichtiges Projekt in Angriff genommen. Ich denke, dass hier in Kürze eine sehr gute Lösung präsentiert werden kann. Wichtig ist die Weiterführung der Handball-AG`s in den Grundschulen. Durch das Fehlen von überregionalen Sichtungsmaßnahmen können wir junge talentierte Handballer aus dem Bundesgebiet nicht gezielt für den ThSV Eisenach gewinnen, um diesen zugleich die Möglichkeit zu geben, bei uns ausgebildet zu werden. Leistungsorientiert Handball zu erlernen, in Verbindung mit schulischer und beruflicher Ausbildung, das war einmal ein Markenzeichen des ThSV Eisenach. Weiterhin fehlt uns ein kompetenter und erfahrener Jugendkoordinator, der die Philosophie des Vereins und des Trainers der ersten Mannschaft in den Jugendbereich vermittelt. Nur so vollzieht sich ein kontinuierlicher Entwicklungsweg vom Nachwuchs über die zweite bis zur ersten Mannschaft! Mit einer solchen Philosophie, einem durchgängigen Konzept, gelingt es Spieler an den Verein zu binden, ihnen zugleich sportliche und berufliche Perspektiven in Eisenach aufzuzeigen. Die Ausrichtung und Etablierung eines Handballturniers in den verschiedenen Altersklassen in Eisenach mit deutschen Spitzenmannschaften und internationaler Beteiligung wäre ebenfalls ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.

Interview: Th. Levknecht

Titelfoto hinten v.l: Sabrina Melde (Hasec Elektonik GmbH aus Wutha-Farnroda, Sponsor der Meistertrikots), Peter Weiss (Betreuer), Christian Roch, (Vorsitzender Leistungssportausschuß des Thüringer Handballverbandes), Karl-Marius Schnell, Linus Trapp, Aron Büchner, Tom Steiner, ThSV-Cheftrommler Manolo (Volker Staer), Vincent Hamacher; Tizian Reum; Volker Krempel (Stafelleiter des Thüringer Handballverbandes), Dirk Schnell (Trainer), Detlef Henkel (Co-Trainer), Shpetim Alaj (Präsident des ThSV Eisenach); vorne v.l.: Paul Jegminat, Yannick Seidel, Felix Cech, Phlipp Bourtal, Johann Malta, Max Schlotzhauer

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