Wie du trainierst, so spielst du auch!

Jörn Schläger führte den ThSV Eisenach II noch zur Vizemeisterschaft • Engagement des einstigen Bundesligastrategen endet jedoch wieder

Mitte Dezember 2017 wurde Arne Kühr beim Handball-Zweitbundesligisten ThSV Eisenach vom Co- zum Cheftrainer befördert. Arne Kühr war aber auch Trainer der 2. Männermannschaft, die in der Thüringenliga spielte. Im Zuge der Kooperation mit dem Drittligisten HSV Bad Blankenburg konnte der dort als Trainer beurlaubte ehemalige Eisenacher Bundesligaspieler Jörn Schläger ab Ende Januar 2018 als Coach des Thüringenligateams des ThSV Eisenach gewonnen werden. Jörn Schläger führte den ThSV Eisenach II noch zur Vizemeisterschaft.

Seine längste und wohl erfolgreichste Zeit erlebte der am 1. Juli 1972 in Berlin geborene Jörn Schläger während seines 6-jährigen Engagements beim ThSV Eisenach. Der einsatzstarke Rückraumspieler, 1995 vom VfL Gummersbach gekommen, stieg mit dem ThSV Eisenach unter Leitung von Rainer Osmann 1997 in die 1. Handballbundesliga auf, zählte zu den Häuptlingen der Thüringer, trug maßgeblich dazu bei, dass die „graue Maus von der Wartburg“ 7 Jahre in Folge im Oberhaus spielte. Nach seiner Zeit beim ThSV Eisenach war er für FrischAuf Göppingen (2001 bis 2003), Grasshoppers Zürich (2003 bis 2004) und dem Stralsunder HV (2004 bis 2007) am Ball. Für die deutsche Nationalmannschaft bestritt Jörn Schläger zwischen 1999 und 2001 insgesamt 22 Spiele. Nach seiner eigenen leistungssportlichen Laufbahn folgten Trainerstationen im Norden (Usedom, Rostock, Stralsund und Ribnitz), bevor er 2016 zum HSV Bad Blankenburg kam, mit dem er in souveräner Manier den Aufstieg von der Mitteldeutschen Oberliga in die 3. Liga schaffte. Dort blieben die erhofften Resultate aus.

Wir sprachen mit Jörn Schläger:
Der ThSV Eisenach II war mit dem Ziel Titel und Aufstieg gestartet, kam nach erfolgreichem Start mächtig ins Straucheln, konnte unter Ihrer Leitung zumindest noch Vizemeister werden. Mit Ihrer ganz persönlichen Bilanz dürften Sie nicht unzufrieden sein?
Die Ausgabe der Zielstellung und die personelle Zusammensetzung oblagen lange vor meinem Einstieg den Verantwortlichen des ThSV Eisenach. Ich habe die Mannschaft auf Platz 6 übernommen. Am Ende belohnten wir uns mit der Silbermedaille! Grund war, dass das Team spielerisch und kämpferisch zulegte. Die Siege über den Sonneberger HV, die SG Werratal und Meister HBV Jena zeigten das Potenzial der Mannschaft.

Egal in welcher Spielklasse, die zweite Mannschaft vom ThSV mit der Rückrunde zu übernehmen, kein leichtes Unterfangen. Wie sind Sie damit klar gekommen? Welche Spielphilosophie versuchten Sie zu vermitteln?
Es war nicht das erste Mal, dass ich eine Mannschaft mitten in der Saison übernommen habe. Die Zeit des gegenseitigen Kennenlernens war extrem kurz. Ich habe trainingstechnisch und taktisch einiges Neues vermittelt, wovon die Mannschaft sicherlich profitiert hat. Wichtig war, jedem die Wichtigkeit von Disziplin klar zu machen. Aufgrund fehlender Disziplin haben wir gleich das Punktspiel in Ronneburg verloren. Meine Spielphilosophie beinhaltet schnellen Handball, über Gegenstöße, über die zweite Welle zu „leichten“ Treffern zu kommen. Das ist uns vielfach gelungen. Die Trefferzahl belegt das. Aus mannschaftlich taktischer Abwehrleistung einen schnellen Ball nach vorne spielen, ohne großen Deckungswechsel. Wir haben vornehmlich auf eine 6:0- oder 5:1-Abwehrformation gesetzt. Highlight war das neue 4:2-Abwehrsystem im Auswärtsspiel beim Meister HBV Jena. Da hat die Mannschaft mir gezeigt, dass der Wille stimmt und man offen für Neues ist.

Nach Meister HBV Jena (840) verbuchte der ThSV Eisenach II mit 815 eingenetzten Bällen die beste Trefferausbeute. Die Quote bei den Gegentoren fiel mit 736 (im Schnitt über 28 pro Spiel) hoch aus. Welche Ursachen sehen Sie hierfür?
Die Abwehrarbeit im Zusammenspiel mit den Torhütern ist natürlich ein ausschlaggebender Aspekt. Abwehr ist Willenssache. Abwehr muss aber auch Spaß machen. Die Stellung zum Gegenspieler, das 1:1-Verhalten, um den Zweikampf gewinnen zu wollen, über Taktik Überzahlsituationen selbst in der Abwehr zu schaffen, sich über Ballgewinne Tempogegenstöße zu erarbeiteten sind Grundvoraussetzungen. Eine klare Linie zwischen Torwart und Abwehr ist wichtig. Wo steht der Block? Das alles klappte oftmals nicht, sodass wir einige Male 30 Gegentore oder mehr kassierten.

Auf der Torhüterposition mussten Sie aufgrund von Verletzungen und Sperren ständig improvisieren. Sicherlich ein Handicap?
Die vorgesehenen Stammtorhüter Lars Kremmer und Marius Noack standen krankheits- und verletzungsbedingt nicht zur Verfügung. Christian Trabert half kurzfristig aus. Manchmal wussten wir am Donnerstag nicht, wen wir am Samstag ins Tor stellen können. Das alles trug zum Zusammenspiel zwischen Abwehr und Torhüter nicht bei. Die in der A-Jugend spielenden John Martin und Jan-Luca Fernschild waren noch nicht reif für diese Liga. Sie müssen weiter an sich arbeiten. Die Rückkehr von Lars Kremmer war wichtig und seine Leistungen sehr ordentlich.

Im Team stehen mit Sascha Kleint, Philipp Emmelmann und dem spielenden Co-Trainer Benjamin Trautvetter erfahrene Hasen. Erfüllten sie die ihnen zugedachte Rolle?
Das sind zweifellos Handballer mit höherklassiger Spielerfahrung. Deren zugedachte Rolle wurde auch vor meinem Einstieg definiert. Sascha Kleint, der Kapitän und auf Linksaußen, ist das Sprachrohr der Mannschaft, seine Leistung war in Ordnung. Beruflich ist er, wie auch alle anderen, sehr eingespannt. Philipp Emmelmann ist ein Kämpfertyp mit viel Erfahrung bei der Spielgestaltung. Seine Trainingseinstellung ist vorbildlich, er gibt stets richtig Gas. Benne Trautvetter bringt seine Erfahrung in der Abwehr und am Kreis im Angriff vollwertig ein. Außerdem war die Verständigung mit ihm als spielender Co -Trainer vorbildlich. Gerade von den erfahrenen Spielern erwarte ich, dass sie den Trainer unterstützen und mit mir kommunizieren. Das würde ich gern intensivieren. Ein Trainer braucht Unterstützung. Die Routiniers müssen Vorbild für die jungen Spieler sein. Die jungen Spieler schauen zu den alten hoch.

Wie sehen Sie die Aufgabenerfüllung der bei Ihnen eingesetzten Zweitbundesliga-Anschlusskader?
Mit ihnen – Noah Streckhardt, Luca Baur und Maximilian Manys – war ich zunächst nicht besonders zufrieden. Die eigene Fehlerquote war teilweise zu hoch. Dies verbesserte sich dann aber im Saisonverlauf. Bundesliga-Anschlusskader müssen drei Ligen tiefer zeigen, weshalb sie zum Kader der 1. Mannschaft gehören. Die Kommunikation zwischen den Trainern der ersten und zweiten Mannschaft ist dabei besonders wichtig. Alle drei müssen noch leistungsmäßig zulegen, beispielsweise in der Spielübersicht, im Durchsetzungsvermögen sowie bei den athletischen Komponenten wie z. B. Kraftwerte. Sie sind aber alle mit guten handballerischen Fähigkeiten ausgestattet. Für das Teambuilding ist es wichtig, dass Anschlusskader der ersten auch bei der zweiten Mannschaft natürlich ab und an trainieren müssen.

Sie sind viel umher gekommen. Wie würden Sie das Niveau in der Handball-Thüringenliga der Männer einstufen?
Es ist die 5. Liga. Da ist nicht die hohe spieltechnische Qualität zu erwarten. Mangelnde Technik und Kondition werden durch Härte ersetzt. Die Thüringenliga leidet auch unter der Qualität der Schiedsrichter, die sicherlich ihr Bestes geben, aber es ist keine wirkliche Linie unter den Gespannen zu erkennen. Da muss der Thüringer Handballverband was tun. Aber auch viele positive Ansätze konnte ich in den Punktspielen der Thüringenliga erkennen. Es gab in den verschiedenen Mannschaften einzelne Spieler, die positiv überraschten. Zwischen der Thüringenliga und der Mitteldeutschen Oberliga besteht allerdings ein sehr hoher Unterschied. Es gab sehenswerte Spiele, die an das Niveau der 4. Liga herankamen, doch das waren ganz wenige. In der 4. Liga dominiert teilweise eine gewisse „Professionalität“. Sollte dies einmal das sportliche Ziel werden für unsere „Zweite“, müssten die Bedingungen dafür angepasst werden.

Sie waren, insbesondere im letzten Saisonabschnitt, mit der Trainingsbeteiligung nicht zufrieden?
Wer sich zum Mannschaftssport entschließt, hat auch eine Verpflichtung gegenüber den Mannschaftskameraden. Alibi-Entschuldigungen und Ausreden sind nicht hinnehmbar. Um erfolgreich zu sein, ist die entsprechende körperliche Fitness erforderlich, die im Training erarbeitet wird. Nicht nur die athletische Verfassung sondern auch taktische Vorgaben werden nun mal im Training erarbeitet. Wie du trainierst, so spielst du auch!

Sie waren einer der Strategen in den Eisenacher Bundesliga-Glanzzeiten von 1997 bis 2003. Sie erlebten nun hautnah den Absturz in die Drittklassigkeit. Sicherlich blutet Ihnen das Herz. Woran lag es aus Ihrer Sicht?
Ich habe die schwärzeste Sunde des ThSV hautnah miterlebt. Ich habe für mich die Spiele, die ich gesehen habe (teilweise auch auf Video im Nachhinein), mit zwei Augen betrachtet: einmal als ehemaliger Spieler und einmal als Handballtrainer. Ich habe auf dem Parkett wenig Tempo gesehen, kaum einfache Tore nach Gegenstößen oder über die zweite und dritte Welle. Es gab aus meiner Sicht keinen Führungsspieler, keinen Leader der Spiele lenkt, der selbst voran geht und andere mitzieht. Es fehlte ein Mannschaftskern von 3 bis 4 Spielern, der in den entscheidenden Momenten mit Qualität und Leidenschaft das Spiel im Angriff wie aber in der Abwehr an sich reißt. Die Leistungen auf der Torhüterposition waren zu schwankend. Vermeintliche Leistungsträger blieben unter ihren Möglichkeiten. Alle anderen möglichen Ursachen für den Abstieg müssen die Verantwortlichen jetzt aufarbeiten. Am meisten tut es mir für das treue und immer faire Eisenacher Publikum leid.

Welche Schlussfolgerungen sind zu ziehen? Was sollte besser werden?
Es gilt, sachlich nach vorn zu schauen, zu analysieren und die entsprechenden Schlussfolgerungen ziehen. Die 3. Liga wird kein Selbstläufer! Die Mannschaft muss mit dem neuen Trainer erst eine Einheit werden! Nicht nur die erste Mannschaft, der gesamte Verein muss wieder stabil werden! Natürlich ist es wünschenswert, auch wichtig für die Region, dass Eisenach auf die Karte der Handball-Bundesligen zurückkehrt. Dafür muss auch im Umfeld sensibel gearbeitet werden. Die Mannschaft ist hierbei unbedingt einzubinden, ist aber auch gefordert! Ein erster Schritt mit einem neuen Vorstand ist gemacht. Zumindest sind gute Ideen vom neuen Präsidenten geäußert worden. Dies braucht aber Geduld, Schaffenskraft und viel Engagement, um auch das Vertrauen der vielen Sponsoren zu behalten, zurück zu gewinnen oder neu zu bekommen.

Was haben Sie für Pläne über den 30.06.2018 hinaus?
Es steht fest, dass ich nicht mehr als Trainer für die zweiten Männermannschaft des ThSV Eisenach zur Verfügung stehe. Eine Zusammenarbeit mit Perspektive konnte mir nicht geboten werden. Ich werde mich in Geduld üben, mich intensiv mit der A- Lizenzausbildung befassen und auf eine Möglichkeit warten als Handballtrainer arbeiten zu können.

Danke Jörn Schläger!

Interview: Thomas Levknecht

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