Wo war die Souveränität der jüngsten Auswärtserfolge?

Handball-Zweitbundesligist ThSV Eisenach kassierte eine völlig unerwartete 26:28 (11:13)-Heimpleite gegen die TSG Friesenheim und verabschiedete sich damit zunächst aus der Tabellen-Spitzengruppe.
Die Wartburgstädter, bei denen nur Kapitän Benjamin Trautvetter überzeugen konnte, vermochten in keiner Weise an die jüngsten Auswärtsleistungen, wie beim 29:20-Sieg in Erlangen, anzuknüpfen. Und das gegen einen Kontrahenten, der aufgrund des Fehlens von gleich vier Stammkräften (Backovic, Sigtryggsson, Matschke, Kossler) nur mit «Durchhalteparolen» gen Thüringen kam, wie Thomas König, der Coach der TSG Friesenheim, im Nachgang einräumte.

Nach dem Abpfiff lag er sich mit seinem Team jubelnd in das Armen. Die Gäste trumpften mit Effizienz und Leidenschaft gleichermaßen auf, hatten in Andrej Kogut einen überragenden und selbst torgefährlichen Regisseur, an dessen Seite sich die «Jungspunde», wie Christopher Klee, sonst in der Pfalzliga am Ball, von Minute zu Minute selbstbewusster zeigten. Obwohl im Vorfeld angesprochen, zappelten die Schlagwürfe der Gäste im Eisenacher Kasten. Die Hausherren offenbarten ungewohnte Abwehrschwächen.
Aber auch im Vorwärtsgang fehlten Power und Kreativität. Der neuerliche Schachzug mit zwei Spielmachern gleichzeitig, mit Tomas Sklenak und Hannes Jonnson, brachte nicht den gewünschten Erfolg. Lediglich bei Ballstafetten zur Kreismitte, zu Benjamin Trautvetter, wackelte die Friesenheimer Abwehr, die ansonsten den Durchblick bewahrte. «Unsere 6:0-Deckung und ein überragender Kevin Klier im Tor waren der Schlüssel des Erfolges», jubelte Thomas König. Der Keeper parierte 19 Bälle, mehrfach aus Nahdistanz. Er vernagelte auch im Schlussgang seinen Kasten. Die Hausherren hatten einen 22:24-Rückstand (53.) noch in eine 26:25-Führung (57.) verwandelt. profitierten hierbei von einer doppelten Überzahl. Doch erst Hannes Jonsson und dann auch Tomas Sklenak brachten das Leder nicht am Friesenheimer Keeper vorbei. Die Gäste hingegen nutzten eiskalt ihre Torchancen über die Rechtsaußenposition. Marco Hauk traf mit seinem siebenten Treffer zum 26:27 (59.). Im letzten Eisenacher Angriffszug, nach einer Auszeit, einer Besprechung an der Bank, landete das Leder im Seitenaus. Andrej Kogut, ebenfalls mit seinem siebenten Treffer zum 26:28 (60.), machte die faustdicke Überraschung perfekt.

«Ich bin einfach nur stolz auf diese Mannschaft. Praktisch mit sieben Feldspielern haben wir diesen Sieg gelandet. Dem jungen Jan Clausen gelangen zwei wichtige Tore», strahlte Thomas König. «In Eisenach zu gewinnen, das ist ein Traum. Kampfgeist, Wille und eine hohe Effektivität gaben den Ausschlag für uns. Und hinten konnten wir uns stets auf Torhüter Kevin Klier verlassen», erklärte ein überglücklicher Marco Hauk.

Eisenachs Coach entschuldigte sich bei den Zuschauern
Ganz anders die Stimmungslage bei Adalsteinn Eyjolfsson, dem Coach der Wartburgstädter: «Wir waren gegenüber der Vorwoche von der spielerischen Qualität nicht wieder zu erkennen. Uns fehlte es an Qualität und Mentalität. Wir fanden nicht zu unserer Linie, nicht zu unserem Rhythmus, setzten die Vorgaben nicht um. Wir verfielen in Hektik und Panik Die TSG Friesenheim kontrollierte das Tempo. In Überzahl, selbst in doppelter Überzahl, vermochten wir beste Chancen nicht zu nutzen.» An die erneut über 1800 Zuschauer gerichtet, erklärte der Isländer: «Wir müssen uns bei unseren Fans, unseren Zuschauern entschuldigen. Sie haben diese Leistung nicht verdient. Zwei Heimniederlagen in Folge, das ist unseren Fans und unserem Verein nicht würdig. Wir hoffen, unsere Fans kommen dennoch zum Derby am Samstag gegen Aue Wir sind in der Schuld. Eine Riesen-Wiedergutmachung ist angesagt»,

Gedenkminute für Erhard Wunderlich
Die Partie begann mit einer Gedenkminute für den im Alter von 55 Jahren verstorbenen Ex-Nationalspieler Erhard Wunderlich. Beide Teams und die Unparteiischen bestritten im Gedenken an den Weltmeister von 1978 die Partie mit Trauerflor.

Miserable Wurfausbeute
Manko der Eisenacher von Beginn: die Wurfausbeute! Der sonst kaltblütig vollendende Nick Heinemann, Eryk Kaluzinski, Girts Lilienfelds und Adrian Wöhler brachten bereits in der Auftaktviertelstunde das Leder in Serie nicht am Gästekeeper Kevin Klier vorbei. Das 5:4 durch den nur kurz eingewechselten Duje Miljak (13.) sollte die letztmalige Eisenacher Führung bis zur 40. Spielminute sein. Hannes Jonsson, der Tomas Sklenak auf der Regieposition ablöste, führte sich mit zwei Schnitzern ein. Marco Hauk und Philipp Grimm «dankten» mit den Treffern zum 6:9 (18.). Nick Heinemann, sonst die Zuverlässigkeit von der Siebenmeterlinie, scheiterte per Strafwurf an Kevin Klier (19.). Hannes Jonsson machte es nach Regelwidrigkeit an Benjamin Trautvetter dann besser (21.). Um den Spielfluss zu erhöhen, beorderte ThSV-Coach Adalsteinn EYjolfsson seinen tschechischen Nationalspieler Tomas Sklenak in den linken Rückraum. Die Gäste ließen mit Ballstafetten zu allen Kreispositionen die Eisenacher Defensive alt aussehen.
Christian Klimek vollendete von der Kreismitte zum 8:11 (23.). Für sichtliche Belebung sorgte der im Rückraum eingewechselte Daniel Luther, der zunächst selbst zum 9:11 traf (24) und wenig später nur auf Kosten eines Siebenmeters gebremst werden konnte, den Hannes Jonsson verwandelte (10:11, 25.). Doch der Luther-Auftritt blieb auf wenige Minuten begrenzt. ThSV-Coach Adalsteinn Eyjolfsson versuchten es mit anderen personellen und Positionswechseln. Nicolai Hansen, bis dahin überwiegend für Abwehraufgaben gekommen, besetzte zwischenzeitlich auch im Angriff die Kreismitteposition. Doch auch der Däne scheiterte, lehrbuchreif freigespielt, völlig frei an Torhüter Kevin Klier (29.). Kurz zuvor hatte der 19-jährige Christopher Klee aus dem Rückraum zum 10:13 abgezogen (28.).

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Mangelnde Effizienz in Überzahlsituationen
Mit Beginn der zweiten Halbzeit rückte Hannes Jonsson auf die Linksaußenposition, Benjamin Trautvetter besetzte im Angriff seine Stammposition an der Kreismitte. Adrian Wöhler nutzte eine Ballstafette zum 13:13-Ausgleich (33.). Eisenachs Angriffsspiel nahm richtig Fahrt auf. Das Erfolgsrezept: Ballstafetten zu Kapitän Benjamin Trautvetter, der zum 14:14 (34. auf Zuspiel von Girts Lilienfelds) und 17:17 (38.) vollendete. Dann scheiterte Friesenheims Philipp Grimm per Strafwurf an wieder ins ThSV-Gehäuse zurückgekehrten Radek Musil. Sekunden später zappelte ein Sklenak-Ball zur Eisenacher 18:17-Führung im Netz (40.). «Jetzt gehen die Uhren in der Werner-Aßmann-Halle wieder richtig», verkündete Hallensprecher Jürgen Hausburg. Doch das änderte sich rasch wieder. Zwei Eisenacher Zuspielfehler lieferten die Vorlagen für von Philipp Grimm über Linksaußen und von Andrej Kogut per Schlagwurf abgeschlossene Angriffszüge zum 18:20 (43.). Obwohl nur mit kleinem Kader, die Gäste gingen weiter beherzt in die Zweikämpfe. Eisenachs Keeper Radek Musil kaufte im großen Stil dem frei vor ihm auftauchenden Christian Klimek das Leder ab (46.). der wenig später nach Pfiff das Leder nicht freigab und zwei Minuten zum Nachdenken auf die Bank musste. Hannes Jonsson besorgte im dritten Versuch das 21:20 (57.). In Unterzahl fasste sich Friesenheims 20-jähriger Jan Clausen ein Herz und netzte zum 21:21 ein (48.). Nach einem Sklenak-Schrittfehler wurde Marco Hauk auf Rechtsaußen in Szene gesetzt, der zum 21:22 (49.) traf. Hannes Jonsson und Nick Heinemann scheiterte an Kevin Klier, dem Turm in der Schlacht auf Seiten der TSG Friesenheim. Die Gäste hatten in Angriffszügen über Rechtsaußen ein probates Mittel gefunden. Dann zischte mal wieder ein Kogut-Schlagwurf zum 23:25 (54.) ins Eisenacher Netz. Die Eisenacher greifen zur Pressdeckung gegen das Herzstück der Gäste, Andrej Kogut. Wenig später reißt er Nick Heinemann beim Tempogegenstoß um, kassiert ebenso wie wenig später Christian Klimek eine Zwei-Minuten-Strafe. Doppelte Überzahl für den ThSV Eisenach! Doch Hannes Jonsson findet in Kevin Klier seinen Meister (56.). Haareraufen auf den Traversen! Die Eisenacher, Nick Heinemann und Girts Lilienfelds, erobern zwei Mal das Leder. Nick Heinemann und Hannes Jonsson vollenden zum 26:25 (58.). Und wieder gingen die Uhren in der Werner-Aßmann-Halle richtig. Aber erneut nur ganz kurz. Die Gäste zeigen sich hochkonzentriert, die ungeahnte Chance auf einen Doppelpunktgewinn in Eisenach resolut beim Schopfe packend.

Ernüchterung wich beim ThSV Eisenach der Euphorie. Mit zwei Heimsiegen in Folge sollte ein Platz im Dreiergestirn an der Tabellenspitze behauptet werden. Zu dürftige der Auftritt gegen die personell so gebeutelten «Eulen» der TSG Friesenheim. Vor dem Traditionsderby gegen den EHV Aue, Samstag, 13.10.2012 um 19.30 Uhr in der Werner-Aßmann-Halle, ist die Stimmung im Eisenacher Lager erst einmal mächtig abekühlt…..

Statistik

ThSV Eisenach: Musil, Gorobtschuk; Trautvetter (6), Sklenak (2), Wöhler (2), Jonsson (7), Luther (1), Miljak (1), Kaluzinski (1), Hansen, Schiffner, Heinemann (5/1), Lilienfelds (1), Koloper

TSG Ludwigshafen-Friesenheim: Klier, Bender; Diehl, Grimm (6/1), Kogut (7), Klee (3), Fritsch, Hauk (7), Claussen (2), Schwenzner, Schmidt, Klimek (3)

Siebenmeter: ThSV Eisenach 5/4; TSG Friesenheim 2/1

Zeitstrafen: ThSV Eisenach 4 x 2 Min.;TSG Friesenheim 6 x 2 Min., Rot für Klimek n. 3. ZS 56.