An der Synagoge Berkach öffnen sich die Türen – vor Ort und virtuell
Die Bundesrepublik feiert in diesem Jahr „1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“. Warum?
Am 11. Dezember 321 erlässt der römische Kaiser Konstantin ein Gesetz, welches festlegt, dass Juden städtische Ämter in der Stadtverwaltung Kölns bekleiden dürfen und sollen. Dieses Edikt belegt, dass jüdische Gemeinden bereits seit der Spätantike wichtiger integrativer Bestandteil der europäischen Kultur sind. Eine frühmittelalterliche Handschrift dieses Dokuments befindet sich heute im Vatikan und ist Zeugnis der mehr als 1700 Jahre alten jüdischen Geschichte in Deutschland und Europa.
Thüringen feiert in diesem Jahr „Neun Jahrhunderte jüdisches Leben in Thüringen“. Warum?
Ein prächtige Urkunde mit einem genauen Datum für den ersten Nachweis jüdischen Lebens in Thüringen haben wir leider nicht. Aber seit dem 12. jahrhundert werden jüdische Gemeinden immer wieder in den Thüringer Chroniken erwähnt. Die ältesten Teile der Alten Synagoge Erfurt datieren in das Jahr 1094. Mit ihrem stattlichen Alter von über 900 Jahren ist diese Synagoge damit die älteste Synagoge Europas. Also können wir getrost neun Jahrhunderte jüdischen Lebens in Thüringen feiern.
Die Erfurter Synagoge bekommt eine neue Torarolle. Warum?
Die Tora, das Wort G’ttes, ist das Herzstück einer jeden Synagoge und Mittelpunkt des Lebens einer jüdischen Gemeinde. Die beiden christlichen Kirchen Thüringens (Evangelische Kirche in Mitteldeutschland und Bistum Erfurt) schenken der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen eine neue Tora. Wie das jüdische Volk wurde auch die Tora immer wieder geschändet, missbraucht und verbrannt; so etwa in den Pogromen von 1348/49 oder im November 1938.
Das Geschenk von Protestanten und Katholiken an ihre jüdischen Geschwister ist also ein Zeichen für Versöhnung und Frieden. Gemeinsam beziehen die Glaubensgemeinschaften Position gegen Antisemitismus und Rassismus und für Dialog und Toleranz.
Was beinhaltet das Projekt „Tora ist Leben“?
Das Projekt lädt zu Bildungsformaten und Begegnungen ein. Zur Zeit digital, aber hoffentlich bald auch wieder live. Der Toraschreiber Reuven Yaacobov wird im Sommer vor Ort an der Tora schreiben: in Erfurt, Eisenach, Jena, Mühlhausen und Nordhausen kann man ihm beim „Öffentlichen Schreiben“ über die Schulter schauen.
Am Donnerstag, den 30. September 2021 schließlich wird die neue Tora in einem fröhlichen Festzug durch die Erfurter Altstadt in die Neue Synogage gebracht.
Was passiert am Dienstag, den 16. März um 19:00 Uhr in der Synagoge Berkach?
Das beschauliche Dörfchen Berkach (Gemeinde Grabfeld, 363 Einwohner) blickt auf eine lange Geschichte jüdisch-christlichen Zusammenlebens zurück. Zeiten friedlicher Koexistenz wechselten sich mit antisemitischen Progromen ab. Die 1854 errichtete Landsynagoge gilt als eine der schönsten in Deutschland. Ende des 19. Jahrhunderts bestand die Hälfte der Dorfbevölkerung aus Jüdinnen und Juden.
1939 wurde die jüdische Gemeinde von der nationalsozialistischen Verwaltung zum Verkauf gezwungen, die Synagoge wurde geschändet und bis zum Ende der DDR als Lagerraum genutzt. Dadurch blieb sie jedoch erhalten und konnte nach der friedlichen Revolution durch große ehrenamtliche Anstrengungen liebevoll restauriert werden.
Am 16. März begrüßen wir dort als Ehrengast den Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland Herrn Dr. Josef Schuster. Diese Festveranstaltung findet ohne Publikum statt. Über die Kanäle des Projektes von YouTube und Facebook können Sie live dabei sein!
Festredner sind: Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff, Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Thüringer Staatskanzlei
Friedrich Kramer, Landesbischof der Ev. Kirche in Mitteldeutschland (EKM)
Ulrich Neymeyr, Bischof von Erfurt (Bistum Erfurt)
Thomas Meier, Vorsitzender „Jüdisches Ensemble Berkach e.V.“
Christian Seeber, Bürgermeister der Gemeinde Grabfeld
Gebete: Landesrabbiner Alexander Nachama, Erfurt
Musik: Dr. Diana Matut (Gesang), Erik Warkenthin (Theorbe)
Moderation: Alexandra Husemeyer, Projektkoordinatorin „Tora ist Leben“
Save the date:
Dienstag, 16.03.2021, 19:00 Uhr – Computer oder Smartphone bereithalten! Wir streamen live aus Berkach. Eine Anleitung wird per Mail versandt. Dafür bitte anmelden unter a.husemeyer@gmx.de
Zum Schluß:
Das Schreiben einer Tora dauert bis zu zwei Jahre. Das alles wird man vermutlich in den nächsten 100 Jahren in Thüringen nicht noch einmal erleben können. Jetzt jedoch ist es Zeichen dafür, dass nicht nur die Tora Leben des jüdischen Volkes ist, sondern jüdisches Leben selbstverständlicher Teil des Thüringer Lebens ist.
Infos:
https://www.facebook.com/toraistleben
https://thueringen.de/juedisches-leben-in-thueringen
https://www.juedisches-leben-thueringen.de/index.php?id=769