Corona hat seinen Schrecken verloren – auch in Thüringens Pflegeheimen

Die Corona-Pandemie hat die stationäre Pflege in Thüringen hart getroffen. Die Rate der an Covid-19 erkrankten Pflegebedürftigen war bundesweit die zweithöchste, zugleich waren in keinem anderen Bundesland so viele in der Pflege Beschäftigte wegen Corona-Infektionen arbeitsunfähig. Das geht aus dem aktuellen Pflegereport der BARMER hervor.

Corona seinen Schrecken mittlerweile scheinbar verloren. Auch in den Pflegeheimen hat sich die Lage beruhigt. Dennoch braucht es weiterhin wirksame Schutzkonzepte, vor allem für die Bewohnerinnen und Bewohner der Heime und zur Entlastung der Pflegekräfte, sagt Birgit Dziuk, Landesgeschäftsführerin der BARMER Thüringen.

Wichtig sei, aus den bisherigen Erfahrungen Lehren zu ziehen, um für etwaige zukünftige Infektionswellen gewappnet zu sein.

Zahlreiche Infektionen in der stationären Pflege
Laut BARMER Pflegereport erreichte die Pandemie in Thüringens Pflegeheimen im Januar 2021 ihren Höhepunkt. Mehr als 15 Prozent der Heimbewohnenden waren zu dieser Zeit an Covid-19 erkrankt. Die Infektionsrate war somit fast doppelt so hoch wie bundesweit (8 Prozent) und fünfmal höher als im Schnitt der Gesamtbevölkerung Thüringens. Beim Pflegepersonal wurde der höchste Krankenstand hingegen erst im März 2022 registriert, als unter den Pflegehilfskräften 240 von 10.000 und unter den Pflegefachkräften 204 von 10.000 Beschäftigten wegen Corona arbeitsunfähig gemeldet waren. Die Infektionsraten beim Pflegepersonal waren zeitweise zehnmal höher als in allen sonstigen Berufen insgesamt. Bundesweit lagen die Spitzenwerte der Corona-Arbeitsunfähigkeiten bei lediglich 160 je 10.000 Beschäftigten.

Hohe Sterberaten in Pflegeheimen
Dem BARMER Pflegereport zufolge ist auch die Sterblichkeit der Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen während der Pandemie überproportional hoch gewesen. So lag die monatliche Sterberate unter den mit Covid-19 infizierten Pflegebedürftigen im Heim im Dezember 2020 bei 18,6 Prozent. Die Sterberaten bei Pflegebedürftigen ohne Covid-Infektion sind hingegen konstant zwischen drei und vier Prozent geblieben.

Zeitweise entfielen bis zu 60 Prozent aller Corona-Todesfälle auf Menschen, die in Pflegeheimen untergebracht waren. Das unterstreicht, dass dort die Schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft leben. Gerade sie bedürfen weiterhin unseres Schutzes, sagt BARMER-Landeschefin Birgit Dziuk.

Sie plädiere für gesellschaftliche Debatten unter dem Zeichen des Miteinanders und der Solidarität. Hygienemaßnahmen einzuhalten, sie bei Bedarf zu verschärfen, dürfe jedoch nicht bedeuten, dass Menschen in Pflegeheimen dadurch vereinsamen. Kontaktsperren und Besuchsverbote müssten in Zukunft möglichst vermieden werden.

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Forderung nach mehr Pflegepersonal

Strenge Hygienemaßnahmen, einschließlich der Verpflichtung für das Personal, Masken zu tragen, sowie der pandemiebedingte Personalausfall haben die Arbeit der Pflegekräfte sehr erschwert und an deren Kräften gezehrt, so Dziuk weiter.

Selbst die emotionale Zuwendung, die sonst von Angehörigen geleistet werde, habe diese Berufsgruppe aufgrund von Kontaktbeschränkungen noch zusätzlich schultern müssen. Der im Vergleich zu anderen Berufsgruppen deutlich höhere Krankenstand sei vor diesem Hintergrund kaum verwunderlich.

Um für weitere Infektionswellen oder Pandemien gewappnet zu sein, ist es entscheidend, die Zahl der Beschäftigten in der Pflege zügig zu erhöhen. Nur so kann sichergestellt werden, dass keine Abwärtsspirale aus Überforderung der Mitarbeitenden und erhöhten Arbeitsunfähigkeitszeiten entsteht, fordert die Kassenchefin.

Corona mittlerweile beherrschbares Thema
Im Verlauf der Pandemie sind in Thüringens Pflegeheimen zeitweise auch die Belegungszahlen leicht zurückgegangen. Ursächlich für den Rückgang waren laut BARMER Pflegereport unter anderem eingeschränkte Kapazitäten aufgrund des Personalausfalls, erhöhte Sterberaten und mehr Kapazitäten für die Pflege zuhause, da viele Menschen verstärkt im Homeoffice gearbeitet haben. Allerdings gab es schon in der zweiten Jahreshälfte 2021 Aufholeffekte bei den Belegungszahlen.

Die Pflege im Heim war und ist sicher, betont Diana Wächter, Geschäftsbereichsleiterin Pflege bei der AWO Mitte-West-Thüringen.

Der professionelle Umgang mit Infektionskrankheiten sei eine Selbstverständlichkeit. Auch Corona sei mittlerweile ein beherrschbares Thema, dessen Bewältigung man den Pflegeheimen ohne Weiteres und ohne externe Einwirkung zutrauen solle. Die AWO-Geschäftsbereichsleiterin und BARMER-Chefin Birgit Dziuk sind sich einig:

Es ist wichtig, dass sich die Menschen darauf verlassen können, im Bedarfsfall professionell und engagiert gepflegt zu werden. Dafür müssen wir uns als Gesellschaft und politisch einsetzen. Gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten gehören genauso dazu, wie Schutzkonzepte für Zeiten von Infektionswellen und das Weiterentwickeln des Pflegesystems samt dessen Finanzierung. Diese Lehren sollten wir aus der Corona Pandemie für die Zukunft ziehen.

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