Dr. Sklenar: Landwirte nicht zu Sündenböcken machen

«In der jetzigen Situation ist es denkbar falsch, die Landwirte in der öffentlichen Diskussion an den Pranger zu stellen – so wie dies die Bundesregierung gegenwärtig tut, wenn sie als Ursache von BSE die ‚industrielle Landwirtschaft‘ oder ‚Massentierhaltung‘ bezeichnet und die Landwirtschaft zum Sündenbock macht.» Das erklärte heute der Thüringer Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt, Dr. Volker Sklenar, zum Thüringer Milchtag in Pfiffelbach. «Wir brauchen keine Kampagne gegen die Landwirte, sondern ein Bündnis von Verbänden, Landwirten, Wissenschaftlern und der Politik, um die offenen Fragen im Zusammenhang mit BSE zu klären und Schritt für Schritt verlorengegangenes Verbrauchervertrauen zurückzugewinnen.»

Dr. Sklenar sagte, er verschließe sich nicht einer Diskussion über eine Neuorientierung der Agrarpolitik in Deutschland. Er warnte aber davor, die BSE-Krise zum Anlass zu nehmen, mit unüberlegten Schnellschüssen die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit der deutschen Landwirtschaft zu gefährden. «Wir sollten dabei nicht der Illusion unterliegen, mit Kleinbetrieben und Ökolandbau hätten wir das Problem BSE im Griff», so der Minister.

Nach derzeitigem Kenntnisstand belaufen sich die Auswirkungen der BSE-Krise in Thüringen bei den landwirtschaftlichen Erzeugern, dem Schlachtbereich und der Verarbeitung auf weit über 200 Mio. DM Erlösausfälle bzw. Mehrkosten:

Rinderhaltende Betriebe 86 Mio. DM
Schlachthöfe 95 Mio. DM
Verarbeiter 65 Mio. DM

Der Bund hat sich bezüglich der Übernahme von Kosten bisher nur in zwei Positionen bereiterklärt: Bei der Entsorgung der Altbestände an Tiermehl, Tierfetten und Futtermitteln, die diese Bestandteile enthalten, bietet der Bund an, sich mit einem Drittel an den geschätzten Gesamtkosten von ca. 190 Mio. DM zu beteiligen. «Unsere Position ist, dass der Bund die vollen Kosten übernimmt», sagte Dr. Sklenar. Bei der Herauskaufaktion für ältere Rinder ist der Bund bereit, die national zu tragenden Kosten bis 362 Mio. DM zu übernehmen. «Ich empfehle, sich an dieser Marktentlastungsmaßnahme zu beteiligen. Sie stellt ein wichtiges Ventil dar, um das Eintreten einer noch kritischeren Marktsituation bei Rindfleisch zu verringern», so der Minister.
Darüber hinaus wird der Bund 500 Mio. DM an den EU-Haushalt zahlen, was dem deutschen Anteil im Rahmen der Haushaltsaufstockung der EU im Zusammenhang mit der BSE-Krise um 2 Mrd. DM entspricht.

Bezüglich der Hilfen des Landes für die rinderhaltenden Betriebe sowie die Schlachthöfe und Verarbeiter ist in den betroffenen Ressorts ein Programmkatalog mit folgenden Schwerpunkten erarbeitet worden, der derzeit mit dem Thüringer Finanzministerium abgestimmt wird:

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BSE-Bekämpfungsgesetz: Thüringen wird eine Bundesratsinitiative für ein Bundesgesetz zur BSE-Bekämpfung einbringen.

Forschung: Thüringen wird eine Bundesratsinitiative für eine Entschließung zu «Koordinierung und Intensivierung von Forschungsaktivitäten zu BSE in Deutschland» starten.
Rinderhaltende Betriebe: Zur Existenzsicherung sollen rinderhaltende Betriebe Zuschüsse erhalten. Auf Grund des Rückgangs der Rinderbestände entsteht ein hoher Anpassungsdruck hinsichtlich des Produktionsprofils in den rinderhaltenden Landwirtschaftsbetrieben.

Schlachthöfe und Verarbeitungsbetriebe: Unternehmen der Fleischwirtschaft sollen bei der erforderlichen Anpassung an den veränderten Fleischmarkt unterstützt werden. Hierzu sind Umstrukturierungsprozesse infolge der nachhaltigen Auswirkungen auf die Entwicklung der Tierbestände und in Anpassung an das veränderte Verbraucherverhalten erforderlich. Im BSE-Fall will das Land den Schlachthöfen eine Entschädigung gewähren.

Gebühren für BSE-Tests: Der Freistaat prüft die Zahlung eines Zuschusses für die bei den thüringischen Schlachthöfen anfallenden Gebühren für die Testung von Rindern ab 24 Monaten.
Ökologischer Landbau: Beim Ökoanbau soll bis zum Jahr 2010 der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche bezogen auf die Gesamtlandwirtschaftsfläche auf 10% in Thüringen erhöht werden.

«Der angefallene Milchkuhstau aufgrund der BSE-Situation wird dazu führen, dass zusätzlich Milch produziert wird, die zu einer weiteren Erhöhung der Gesamtmilchmenge führt», informierte der Minister. «Eine Erhöhung der Milchreferenzmenge für Deutschland bzw. die Aussetzung der Superabgabe als Forderung gegenüber der EU ist zwar erhoben worden, erscheint aber wenig aussichtsreich», so Dr. Sklenar.

Abschließend sagte Minister Dr. Sklenar: «Es ist meines Erachtens ein kardinaler Fehler, den Ökolandbau gegen die konventionelle Landwirtschaft ausspielen zu wollen. Eine Umverteilung von Fördermitteln zwischen diesen beiden Bereichen löst nicht die Ursachen von BSE. Im Gegenteil, wenn diese Umverteilung losgelöst von den Marktbedingungen erfolgt, besteht die Gefahr, dass beide Bereiche im Endeffekt negativ davon betroffen werden könnten.»

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