EuGH-Urteil: Deutschland muss in FFH-Schutzgebieten deutlich nachlegen

Der NABU Thüringen mahnt im Freistaat vor allem den Umgang mit Schutzgebieten im Wald an

Deutschland hat bei seinen Fauna-Flora-Habitat-Schutzgebieten gegen EU-Naturschutzrecht verstoßen – so lautet das aktuelle Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), nachdem die Europäische Kommission im Zuge eines Vertragsverletzungsverfahrens geklagt hatte. Jetzt muss Deutschland bei einem Teil seiner FFH-Gebiete nachbessern, sonst drohen hohe Strafzahlungen.

Konkret rügt der EuGH drei Missstände: Die unzureichende rechtliche Sicherung der deutschen Natura-2000-Gebiete, unkonkrete und rechtlich unverbindliche Erhaltungsziele für geschützte Arten und Lebensräume je Gebiet, sowie unzureichende Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen, um “günstige Erhaltungszustände” der geschützten Arten und Lebensräume zu gewährleisten.

Der NABU Thüringen mahnt im Freistaat schon seit Jahren den Umgang mit FFH-Gebieten im Wald an. Immer mehr Wälder, auch in FFH-Gebieten, werden durch den stetig steigenden Holzbedarf und viel zu starke forstliche Maßnahmen geschädigt. Der „Mittelgrund” bei Ruppersdorf und der Tautenburger Wald im Saale-Holzland-Kreis seien nur einige Beispiele.

Das EuGH-Urteil zeigt deutlich, dass in FFH-Gebieten mit geschützten Arten und ihren Lebensräumen sorgsamer umgegangen werden muss, sagt Silvester Tamás vom NABU Thüringen. Ökonomische Interessen sollten in diesen Gebieten nicht weiterhin im Vordergrund stehen dürfen.

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Der NABU Thüringen fordert von der Politik und den verantwortlichen Akteuren, die anhaltenden forstlichen Eingriffe in Schutzgebieten im Wald im Sinne der Schutzverpflichtungen deutlich zu minimieren und im Zweifel ganz zu unterlassen.

Hintergrund: Vertragsverletzungsverfahren und Klagen gegen Deutschland

Von Beginn an hinkte Deutschland bei der Umsetzung der FFH-Richtlinien und damit dem Schutz von Natura-2000-Gebieten hinterher und verschleppte entsprechende Gebietsmeldungen nach Brüssel. Weil Deutschland viele seiner Natura 2000-Gebiete (2.784 der 4.606 Gebiete) trotz Ablauf der Frist im Jahr 2010 nicht unter Schutz gestellt hatte, leitete die EU-Kommission 2015 schließlich ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Heute sollen noch immer mehr als 700 Gebiete unzureichend gesichert sein. Für viele dieser Gebiete fehlen die in der Fauna-Flora-Habitat-(FFH)-Richtlinie vorgesehenen Managementpläne mit konkreten Erhaltungs- und Entwicklungszielen für jedes Gebiet sowie den entsprechenden Maßnahmen.

NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger dazu:

Unverbindlich, unkonkret und unzureichend – nachdem Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten bei der Umsetzung der FFH-Richtlinie in seinen Schutzgebieten geschlampt hat, bestätigt das heutige Urteil, was man in den Schutzgebieten selbst schon sieht: Nur 25 Prozent der Arten und 30 Prozent der Lebensraumtypen befinden sich derzeit in einem günstigen Erhaltungszustand. Es ist die letzte Mahnung an Bund und Länder, FFH-Gebiete nicht nur auszuweisen, sondern konkret zu schützen – sonst drohen Strafzahlungen. Der besorgniserregend schlechte Zustand vieler Gebiete unterstreicht den dringenden Handlungsbedarf. Deutschland muss jetzt dringend nachlegen.

Der NABU fordert für die Schutzgebiete verbindliche und gebietsspezifische Erhaltungs- und Entwicklungsziele, ein aktives Management sowie ein transparentes Monitoring, damit der Schutz der Lebensräume und Arten mindestens regional, messbar wird. So sieht es auch die EU-Biodiversitätsstrategie vor. Darüber hinaus gelte es zusätzliche, ökologisch hochwertige Flächen als Schutzgebiete auszuweisen und die Gebiete besser miteinander zu verbinden. Eine Chance hierfür bietet das EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law) und das Natur-Flächen-Gesetz.

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