KV Thüringen sieht Defizite in der augenärztlichen Versorgung

Die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen weist auf Defizite in der augenärztliche Versorgung im Land hin. Die 1. Vorsitzende des Vorstandes der KV Thüringen, Dr. med. Annette Rommel, sagte:

Patienten mit Augenleiden fällt es in zunehmendem Maße schwer, in angemessener Zeit einen Augenarzttermin zu bekommen. Das betrifft auch Menschen, die dringend eine augenärztliche Versorgung benötigen, wie die Nachsorge nach einer Augenoperation oder regelmäßige Augenuntersuchungen bei Diabetikern.

Für die Situation gebe es ein ganzes Bündel an Ursachen. Trotz vielfältiger Anstrengungen der KV Thüringen gemeinsam mit den Thüringer Augenärzten und ihrem Berufsverband ist das Problem unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht zufriedenstellend im Interesse der betroffenen Patienten zu lösen. Als besonders drängend stellt es sich im Raum Gera, in einigen Regionen Südthüringens und selbst in Weimar und Umgebung dar, obwohl diese Gebiete der Statistik nach als „überversorgt“ gelten. Der Gesetzgeber gestattet hier keine Neuzulassungen und geht davon aus, dass genügend praktizierende Augenärzte vorhanden sind.

Außerordentliches Engagement vieler Augenärzte
Frau Dr. Rommel lobt das außerordentliche Engagement der Thüringer Augenärzte:

Viele Kollegen nehmen trotz voller Praxen immer noch zusätzliche Patienten an. Auf Initiative der KV Thüringen springt bei extremen Engpässen auch die Augenklinik Gera ein.

Es gibt materielle Hilfen zur Existenzgründung in Regionen mit Augenarztmangel, die aber angesichts eines bundesweiten Wettbewerbs um die wenigen Fachärzte bisher meist ins Leere liefen. Lediglich für die Stadt Hermsdorf ist es gelungen, nach dreijähriger Suche einen neuen Augenarzt zu finden. Er nimmt am 1. August seine Arbeit auf.

Die Vertreterversammlung der KV Thüringen hat deshalb im vergangenen Jahr zwei innovative Fördermöglichkeiten beschlossen: Augenkliniken, die zusätzliche Stellen zur Weiterbildung neuer Augenärzte schaffen, können dafür einen finanziellen Zuschuss beantragen. Außerdem steht für Regionen, die als Sicherstellungsbrennpunkte definiert werden, ein weitergehender Förderfonds zur Verfügung. Hinzu kommt eine Vereinbarung mit den Krankenkassen: Alle Thüringer Augenärzte, die keine Operationen durchführen und ausschließlich konservativ arbeiten, erhalten für die Neuaufnahme von Patienten einen Fallzuschlag auf ihr Quartalshonorar.

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Ursachen bei Rahmenbedingungen, Ärzten und Patienten
Dieses Engagement allein löst die Probleme jedoch nicht, stellt der KV-Vorstand fest und verweist auf die rasante technische Entwicklung der vergangenen Jahre in der Augenheilkunde:

Heute lassen sich Augenleiden heilen oder lindern, die noch vor einigen Jahren zum Erblinden der Patienten oder zu einer dramatischen Verschlechterung der Sehfähigkeit führten – allerdings mit sehr hohem Zusatzaufwand an ärztlicher Arbeitszeit, sagt Frau Dr. Rommel. Außerdem ist die Nachfrage nach Augenarztterminen durch gewachsene Ansprüche an das Sehvermögen im höheren Lebensalter stärker gestiegen als die Kapazitäten. Dass ältere Menschen Smartphones nutzen, gab es vor 20 Jahren noch nicht.

Die Vorgaben des Gesetzgebers für die Bedarfsplanung ignorieren diese Entwicklungen jedoch vollkommen. Das führt dazu, dass faktisch Augenärzte für die Versorgung der Patienten fehlen, und das auch dort, wo „auf dem Papier“ sogar zu viele Augenärzte praktizieren. Außerdem engt die Budgetierung ärztlicher Leistungen Spielräume für die Versorgung ein. Die KV Thüringen fordert die Politik und die Kassen deshalb auf, hier nachzubessern und auch mehr Geld für die prekäre augenärztliche Versorgung der Patienten zur Verfügung zu stellen.

An die Thüringer Augenärzte und ihren Berufsverband hat der Vorstand der KV Thüringen appelliert, trotz der bekannten Schwierigkeiten weiterhin dafür einzustehen, dass alle Patienten mit Augenleiden eine Grundversorgung bekommen – erforderlichenfalls unter Zurückstellung von Individuellen Gesundheitsleistungen und nicht dringlichen Operationen zur Schaffung der notwendigen Kapazitäten. Staatliche Eingriffe in die Praxisorganisation eines freien Berufsstandes lehnen die Vertreter der Ärzteschaft hingegen ab.

Die KV Thüringen sieht aber auch die Patienten in der Pflicht. Viele Patienten nehmen vereinbarte Termine beim Augenarzt einfach nicht wahr, oft sogar, ohne abzusagen. Das betrifft auch Termine, die vorher mit Nachdruck als besonders dringlich gefordert oder über die Terminservicestelle vermittelt wurden. Eine Augenarztpraxis teilte der KV Thüringen kürzlich mit, dass allein bei ihr pro Quartal im Schnitt 100-120 vereinbarte Termine von Patienten nicht wahrgenommen werden.

Ein solches Verhalten ist rücksichtslos gegenüber anderen Patienten und deshalb völlig inakzeptabel, sagt Frau Dr. Rommel.

Dasselbe gelte für Patienten, die es nicht akzeptieren, wenn sie für eine einfache Kontrolle der Brille keinen zeitnahen Termin angeboten bekommen.

Leider wird solches Verhalten durch Aussagen einiger Politiker gefördert, die trotz begrenzten Budgets immer wieder unbegrenzte Leistungsversprechen geben

Terminservicestelle löst das Problem nicht
Auch die 2017 per Gesetz eingeführte Vermittlung von Facharztterminen über Terminservicestellen hat die Situation nicht entspannt. Auch Thüringer Augenärzte müssen seitdem Termine für die Servicestelle der KV Thüringen freihalten und melden, wobei die Meldepflicht, dem örtlichen Bedarf folgend, angepasst wird. Diese Termine fehlen nun jedoch, wenn Patienten selbst in der Praxis anfragen. Entgegen den Versprechungen der Politik und den hohen Erwartungen vieler Patienten erschließt die Terminservicestelle somit keine Terminreserven, sondern verlagert nur die Terminvermittlung und schafft bürokratischen Mehraufwand.

Wer bei gar keinem Augenarzt in seinem Wohnumfeld einen Termin bekommt, wurde bisher durch die KV Thüringen an Augenärzte mit der vergleichsweise geringsten Überlastung vermittelt. Diese Patientenvermittlung hat das Sozialgericht Gotha im vergangenen Jahr als rechtlich unzulässig bewertet. Die KV Thüringen hat gegen diese Entscheidung Revision eingelegt und erwartet die Verhandlung vor dem Landessozialgericht am 6. Juni mit Spannung.

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