Leserbrief: Kneipensterben in Thüringen setzt sich fort

Personalmangel ist die eine, fehlende Kundschaft die andere Seite

Das Kneipensterben im Freistaat geht weiter. Ein Trend, der bereits seit einigen Jahren anhält. Waren es im Jahr 2008 noch 6.819 Restaurants und Gaststätten, sind es derzeit –  nach offiziellen Angaben – nur noch 5.001 Lokale. Betroffen sind vielfach die kleinen Kneipen an der Ecke oder im Dorf, vielfach mit dem Inhaber als einzigen Beschäftigten.

Personalmangel ist ein Problem. Es finden sich immer weniger junge Deutsche  für die „ausgedehnten“ Arbeitszeiten. Öffnungszeiten müssen eingeschränkt oder vielfach verändert werden. Ungewissheit, hat das Restaurant nun auf oder nicht, schreckt Kundschaft ab. Im Ausland, bis nach Marokko und Vietnam, wird für Ausbildungsplätze als Koch sowie im Restaurant- und Hotelbereich geworben! (Ohne Personal aus dem Ausland sind Tagesaufgaben in Deutschland kaum noch zu erfüllen. Nicht nur im Pflegebereich! Das auch in die Richtung rechter Politiker und deren Wähler!)

Gerade die „kleine Kneipe, in der das Leben noch lebenswert ist“ (Peter Alexander) klagt über akuten Gästeschwund. Das vor einigen Jahren eingeführte Rauchverbot ist als ein Grund nicht wegzudiskutieren. Arbeitskollektive fanden sich zum gemeinsamen Abendessen und anschließendem Skatturnier, mit der Zigarette. Vorbei. Der preisgünstige Einkauf im Supermarkt und das Treffen im Garten zum Skatspielen hat viele geselligen Runden in den Kneipen der Städte und Dörfer abgelöst. Sportler trafen sich nach dem Wettkampf in der Kneipe; Fußballer feierten hier Siege, Niederlagen wogen beim Zusammensein nicht mehr so schwer. Was ist heute? Der Kasten Bier wird aus der Kaufhalle in die Kabine geholt, der Bratwurstrost selbst angeschmissen. Um die Wandergaststätte wird vielfach ein großer Bogen gemacht. Die Preisliste, teilweise in steigenden Einkaufspreisen für Lebensmittel begründet, schreckt ab. Eine vierköpfige Familie müsste mancherorts für 4 Bratwürste mit Brötchen 14 Euro zahlen. Sie wandert lieber mit knurrendem Magen weiter.

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Viele Kneipen lebten vor der Wende von in der Nähe befindlichen Großbetrieben mit ihren Schichtsystemen. Im Automobilwerk Eisenach waren nahezu 10.000 Menschen angestellt. Nach der Schicht stand das Feierabendbier in der Kneipe nicht weit vor dem  Werkstor an, auch um die Abfahrtszeit zum Schichtbus in das Umland zu verkürzen. Erinnert sei an die einstigen Gaststätten „Christ“, „Auenkeller“, „Kuppchen“, „Berggarten“, „Urania“, „Friedensteiner“, „Westbahnhof“, „Grüner Baum“,  „Weimarischer Hof“. Ein Bier und ein doppelter Aro kostete zusammen 1,44 Mark, die Bockwurst mit Brötchen 85 Pfennig. Der Mann oder die Frau am Tresen war zugleich der „Kummerkasten“ für die Gäste. Die Kneipe war oftmals die zweite Familie. Bei Bier und Schnaps wurden zudem die besten Geschäfte abgewickelt. Man half sich untereinander in vielen Dingen des Lebens. In der Eckkneipe im Wohngebiet, in der vor der Wende kaum ein Platz zu bekommen war, finden sich selbst an einem Freitagabend nur ganz wenige Gäste ein. Zumeist alte Stammgäste. Wenn das Haus, in dem sich die Kneipe befindet, kein Eigentum ist, die Räume angemietet sind,  macht es das wirtschaftliche Betreiben der „Wirtschaft“ schon von daher fast unmöglich.

Das Freizeitverhalten der Menschen hat sich aufgrund der vielfältigen Angebote in den letzten 30 Jahren gehörig verändert. Gehen sie mal zum Essen aus, wird nicht die „gut bürgerliche Küche“ aufgesucht, sondern es geht es zum Italiener, Griechen oder Chinesen.

Das Kneipensterben geht weiter. Der Song von Peter Alexander von der „kleinen Kneipe“ wird in dieser wohl immer weniger erklingen und mitgesungen werden. Auch als Beleg unserer gesellschaftlichen Veränderungen.

Thomas Levknecht, Eisenach

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