NGG: Jetzt mehr betriebliche Mitbestimmung im Wartburgkreis schaffen

Betriebsratswahlen vorbereiten | 3.300 Beschäftigte im Lebensmittel- und Gastgewerbe

Mehr Demokratie hinterm Werkstor: Beschäftigte, die sich im Wartburgkreis über schlechte Arbeitsbedingungen ärgern, sollen sich stärker um ihre Interessen kümmern – und die Vorbereitung der Betriebsratswahlen im kommenden Jahr unterstützen. Dazu ruft die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) auf.

Betriebsräte helfen nicht nur, Jobs zu sichern. Sie geben auch kreative Impulse aus der Belegschaft an die Chefetage weiter und tragen dazu bei, Firmen fit für die Zukunft zu machen, sagt Jens Löbel, Geschäftsführer der NGG-Region Thüringen.

Doch ein Großteil der Menschen, die im Wartburgkreis in der Lebensmittelbranche (1.000 Beschäftigte) und im Gastgewerbe (2.300 Beschäftigte) arbeiten, könne nicht auf eine Arbeitnehmervertretung bauen. Das liege auch daran, dass gerade in Kleinbetrieben viele Chefs die Gründung eines Betriebsrats blockierten, berichtet der Gewerkschafter.

Die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie wichtig die betriebliche Mitbestimmung sei. Dort, wo es Betriebsräte gebe, sei nicht nur häufiger das Kurzarbeitergeld aufgestockt worden. Auch beim Infektionsschutz am Arbeitsplatz komme es entscheidend auf die Mitsprache der Arbeitnehmervertreter an, so Löbel. Die NGG appelliert daher an die Beschäftigten aus ihren Branchen, sich im eigenen Betrieb schon jetzt über die Kandidatinnen und Kandidaten zu informieren – oder sich selbst zur Wahl aufstellen zu lassen.

Einen Betriebsrat zu wählen, ist ein demokratisches Grundrecht, das jeder nutzen und nicht verschenken sollte. Schon in Betrieben ab fünf Mitarbeitern ist die Wahl möglich, betont Löbel.

Anzeige

Die Betriebsratswahlen beginnen im März 2022. Getreu dem Motto „Haste keinen, wähl Dir einen!“ können Belegschaften, die keinen Betriebsrat haben, jederzeit die Wahl einleiten. In der Thüringer Ernährungsindustrie konnten so bereits in diesem Jahr in fünf Betrieben neue Betriebsräte entstehen.

Dabei gelten neue Regeln: Das in diesem Jahr eingeführte Betriebsrätemodernisierungsgesetz stärkt die Position der Beschäftigten.

Wer eine Betriebsratswahl vorbereitet, ist nun schwerer kündbar. Außerdem erhalten Betriebsräte bei Themen wie dem mobilen Arbeiten, der betrieblichen Weiterbildung und Künstlicher Intelligenz mehr Mitsprache, erklärt Löbel.

Von der automatisierten Warenbestellung in der Backwarenfabrik bis hin zur Software-Schulung von Hotelangestellten – bei vielen Umstellungen am Arbeitsplatz könnten die Interessenvertreter jetzt mehr mitreden, so die NGG.

Dabei nutze die Mitbestimmung auch den Unternehmen: Nach einer Studie der Hans-BöcklerStiftung sind Firmen mit Betriebsrat durchschnittlich 18 Prozent produktiver als Unternehmen, bei denen es diese Mitbestimmung am Arbeitsplatz nicht gibt. Der Grund: Arbeitnehmervertretungen erkennen Probleme im Arbeitsalltag schneller und sorgen für einen besseren Austausch zwischen Belegschaft und Management. Dennoch ging die Zahl der Betriebsräte in den letzten Jahren zurück. Konnten im Jahr 2000 noch 41 Prozent der Beschäftigten in Ostdeutschland auf einen Betriebsrat zählen, so waren es im vergangenen Jahr nur noch 36 Prozent. Das geht aus einer aktuellen Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor

In puncto Mitbestimmung muss mehr getan werden. Die Politik hat zwar einige Hürden für die Betriebsratswahl abgebaut. Aber es kommt auch auf die Beschäftigten an, ihr gutes Recht wahrzunehmen, betont Löbel.

Vor Ort bietet die NGG Unterstützung beim Aufbau von Arbeitnehmervertretungen an.

Anzeige