Unwissenheit schützt anscheinend vor Strafe

NABU Thüringen: Rotmilan Horst- und Brutplätze wurden zerstört, Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen ein

Die Staatsanwaltschaft Erfurt hat das Ermittlungsverfahren gegen das Forstamt Finsterbergen wegen eines Vergehens nach dem Bundesnaturschutzgesetzt eingestellt.

Vorausgegangen war eine Anzeige des NABU Thüringen gegen Unbekannt wegen des Kahlschlags eines Pappelwäldchens bei Pferdingsleben im Februar 2022 und der damit verbundenen Zerstörung von Horst- und Brutplätzen streng geschützter Rotmilane.

Die Einstellung des Verfahrens wurde von der Staatsanwaltschaft unter anderem damit begründet, dass das für den Kahlschlag verantwortliche Forstamt Finsterbergen die Kenntnis des Horstbaumes bestreitet. Bei der im Vorfeld der Genehmigung durchgeführten Inaugenscheinnahmen seien dazu keine Hinweise auf das Vorhandensein eines Horstbaumes gefunden worden. Darüber hinaus verfüge das Forstamt über keinen Zugang zum Fachinformationssystem Naturschutz (LINFOS).

Der betroffene Horst wurde 2008 erstmals nachweisliche von einem Rotmilan besetzt. Die Vögel brüten hier seit 2010 und bis 2021 sind 22 Rotmilane erfolgreich ausgeflogen, berichtet Greifvogelexpertin Susanne Löw, die stellvertretende Vorsitzende des NABU Gotha. Alle Jungvögel wurden im Rahmen des von der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Bergbau geförderten Rotmilanprojektes des NABU Gotha beringt.

Anzeige

Aus Sicht des NABU Thüringen ist es unverantwortlich, dass sich ein Forstamt nicht die notwendigen Daten für den einzuhaltenden Naturschutzes beschafft.

Die Daten sind der Unteren Naturschutzbehörde bekannt und hätten dort auch abgefragt werden müssen. Es kann nicht sein, dass man einfach loszieht und einen ganzen Wald abholzt, ohne zu wissen welche Naturschutzbelange dort betroffen sind, sagt Dirk Hofmann stellvertretender Vorsitzender des NABU Thüringen. Zudem sind die Standorte im thüringenweiten Kartensystem der Thüringer Landesanstalt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz einsehbar und bekannt. Sollten Forstämter keinen Zugriff darauf haben, muss das Land Thüringen dafür sorgen, dass dies flächendeckend möglich wird.

Hintergründe
Der Rotmilan genießt einen strengen Schutz. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz ist es verboten, die Fortpflanzungsstätten der Vögel zu zerstören. Das Forstamt Finsterbergen begründet, die Fällaktion sei nach einem Antrag der Gemeinde Pferdingsleben im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht notwendig gewesen. Diese Pflicht besagt: Grundstücksbesitzer sind für den verkehrssicheren Zustand ihres Baumbestandes verantwortlich. Schäden durch Bäume an Personen oder Sachen sind zu verhindern. Den Kahlschlag auf über einem Hektar Wald aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht kann der NABU Thüringen allerdings nicht nachvollziehen. Bäume die tatsächlich geschädigt waren, hätten einzeln entnommen werden können. Die gesunden Bäume hätten, als Brutstandorte für Rotmilan und Co. stehen bleiben müssen.

Mit dem Kahlschlag von des fast 1,2 Hektar großen Pappelwäldchens fällt ein langjährig durch den Rotmilan genutzter Horststandort weg. Alle Ausweichmöglichkeiten sind durch den schweren Eingriff ebenfalls zerstört. Zudem sind benachbarte Feldgehölze als Bruthabitat nicht geeignet oder schon durch andere Greifvogelarten besetzt. Es wird Jahrzehnte dauern, bis durch Wiederaufforstung geeignete Horstbäume nachwachsen. Die gefällten Pappeln, die in einer nahegelegenen Palettenfabrik verarbeitet wurden, zeigen wie schnell Lebensräume auch bei uns zerstört werden und Artenvielfalt schwindet.

Anzeige
Anzeige