Über 100 Schwalbennester hängen am Secondhandladen
NABU Thüringen zeichnet schwalbenfreundliches Haus in Kaltennordheim aus – dieses Jahr ist ein relativ gutes Schwalbenjahr
Jena – Am Secondhandladen von Erika Groß-Herbst in Kaltennordheim brüten seit einigen Jahren Mehlschwalben. Über 100 Nester wurden 2023 vom NABU am Gebäude kartiert, eine aktuelle Kontrolle ergab etwa die gleiche Anzahl. Um das Engagement der Eigentümerin und die Duldung der Mehlschwalbennester am Gebäude zu würdigen, zeichnete der NABU Thüringen heute den Secondhandladen mit der Plakette „Schwalbenfreundliches Haus“ aus.
Tino Sauer, Schwalbenbeauftragter des NABU Thüringen und Roland Burckhardt, Vorsitzender des NABU Schmalkalden-Meiningen überreichten heute die Auszeichnung an die Geschäftsinhaberin. „Für uns ist der Secondhandladen ein gutes Beispiel für die Duldung und Akzeptanz unserer Schwalben, auch wenn in dem Gebäude ein Geschäft betrieben wird“, sagt Tino Sauer. „Die Zahl von über 100 Mehlschwalbennestern ist schon Wahnsinn, so etwas findet man nur selten. Damit beherbergt das Haus rund 60 Prozent des gesamten Mehlschwalbenbestandes in Kaltennordheim. Das hat zumindest unsere Kartierung 2023 ergeben.“
Der NABU-Schwalbenbeauftragte schätzt die diesjährige Schwalbensaison als relativ gut ein. Das liege vor allem an den vielen Regenfällen in den vergangenen Monaten. „Durch die Niederschläge konnten sich beispielsweise Mücken gut entwickeln und vor allem die kleinen Fluginsekten dienen den Mehl- und Rauchschwalben als Nahrung. Mit dieser Nahrungsgrundlage konnten die Sommerboten bereits ihre Erstbruten großziehen. Die Zweitbruten sind in vollem Gange und einige haben bereits mit einer dritten Brut begonnen“, so Tino Sauer.
Mehl- und Rauchschwalben haben sich laut NABU Thüringen als Kulturfolger an eine vom Menschen geprägte Umwelt angepasst. Doch trotz ihrer Anpassung gehen die Schwalbenbestände seit Jahren zurück. Unter anderem machen intensive Landwirtschaft, Versiegelung der Landschaft, schwalbenunfreundliche Sanierungsmaßnahmen an Gebäuden und die Beseitigung von Nestern den Schwalben das Leben schwer. Mangel an geeignetem Nistmaterial, fehlende Nistplätze und unzureichendes Nahrungsangebot sind die Folgen.
Mit der Verleihung einer Plakette für schwalbenfreundliche Häuser und Gemeinden in Thüringen möchte der NABU Menschen danken, die sich für den Schwalbenschutz einsetzen. In den vergangenen Jahren hat der NABU in Thüringen bereits über 2.030 Plaketten vergeben. Nähere Informationen zum Projekt „Schwalben willkommen!“ finden Sie hier: www.NABU-Thueringen.de/schwalben
Zusatzinfo
Kurzporträts von Mehl- und Rauschwalbe
Die Mehlschwalbe
Wissenschaftlich wird die Mehlschwalbe Delichon urbicum genannt. Der Name ist eine Kombination aus griech. chelidon = Schwalbe und lat. urbicus = städtisch. Ihren deutschen Namen verdankt die Mehlschwalbe ihrer rein weißen Unterseite, als hätte sie sprichwörtlich im Mehl gesessen. Mehlschwalben sind die einzigen europäischen Singvögel mit weiß befiederten Beinen und Füßen. Der Schwanz ist schwach gegabelt und ihr Gefieder glänzt metallisch blauschwarz. Von anderen Schwalben unterscheidet sie sich sehr gut durch ihre leuchtend weiße hintere obere Rückenpartie, die man auch Bürzel nennt. Zu finden sind Mehlschwalbennester meist an Hausfassaden direkt unterhalb des Dachvorsprungs. Sie bestehen aus reinem Lehm und sind halbkugelförmig gebaut.
Diese Schwalbenart zählt zu den Langstreckenziehern, die südlich der Sahara überwintern. Mehlschwalben legen eine jährliche Zugstrecke von bis zu 20.000 Kilometern zurück und überqueren das Mittelmeer und die Sahara im Nonstop-Flug. Die tägliche Flugstrecke kann dabei 1.000 Kilometer oder mehr betragen.
Die Rauchschwalbe
Der wissenschaftliche Name der Rauchschwalbe Hirundo rustica kommt von lat. hirundo = Schwalbe und rusticus = bäuerlich. Der deutsche Name Rauchschwalbe rührt daher, dass sie
früher gerne in Schornsteinen und Rauchfängen brütete.
Die Rauchschwalbe unterscheidet sich von anderen Schwalben durch ihre sehr auffälligen langen Schwanzspieße. Das Gefieder ist metallisch schwarzblau glänzend, die Bauchseite weiß und das Gesicht hat eine rotbraune Maske. Ihre Nester befinden sich im Inneren von Gebäuden, wie zum Beispiel in Ställen, Schuppen oder Garagen. Die Nester sind oben offen und aus Lehm mit Pflanzenfasern gebaut. Rauchschwalben sind ebenfalls Langstreckenzieher, sie überwintern südlich der Sahara. Vor ihrem Flug dorthin sammeln sie sich an Massenschlafplätzen.