Lesung: Schuldig bis ans Lebensende?

Hat ein fast 70-jähriger das Recht auf seine Vergangenheit Stolz zu sein oder muss er sich für sein Leben schämen, weil er der künftigen Generation das Leben versaut hat? Darf der alte weiße Mann sich kritisch in die heutige Diskussion einmischen, oder hat er einfach nur ruhig zu sein, sich für sein bisheriges Leben zu entschuldigen und darf den Zorn der jungen Generation von heute einfach stillschweigend über sich ergehen lassen?

Nein, findet Thomas Niedlich, Jahrgang 1956.

In seiner Erzählung „Der Blick aus dem Küchenfenster“ bezieht er dazu eine streitbare Haltung, die er eng mit dem eigenen Lebensweg verknüpft. Er wirft einen Blick sowohl zurück auf die Geschichte seiner Familie als auch auf die heutigen aktuellen Themen der Gesellschaft, für die er Verständnis hat, doch mit der Art wie mit ihnen umgegangen wird, er nicht immer etwas anfangen kann. Die Leben seiner Vorfahren ist die Zeit der Kriege mit all ihren privaten und gesellschaftlichen Folgen. Es ist auch die Geschichte eines Landes, welches mit großen Ambitionen gestartet, am Ende jedoch kläglich gescheitert ist. Es ist auch seine Geschichte.

Der Autor wirft einen Blick in die eigene Kindheit, die auf dem Lande beginnt und letztlich mit dem Umweg über die Stadt wieder auf dem Lande endet. Der Autor, der sich selbst als spätes Nachkriegskind bezeichnet, erzählt vom Leben seiner Familie mit all den Problemen, die sich aus der jeweiligen Zeit ergeben. Es gibt die Krisen und die freudigen Ereignisse, an die sich Thomas Niedlich erinnert und die er mit Schmerz, aber auch mit viel Humor nachzeichnet. Es ist das Leben in Zeiten des Mangels und nicht des Überflusses die das Leben bestimmt und in der alle von einem besseren Leben träumen. Kann man es deshalb den Alten übelnehmen, wenn sie die heutigen Errungenschaften mit vollen Händen genießen wollen?

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Gespeist werden diese ganzen Erinnerungen aus Fotos. Fotos, die schon seit vielen Jahrzehnten Begleiter des Lebensweges von Thomas Niedlich sind, doch ihr Wissen lange verborgen gehalten haben. Er will wissen, was sich dahinter für Geschichten verbergen und erfährt manch Unvorhergesehenes. Es sind wunderbare Geschichten, die sich tatsächlich zugetragen haben, oder so zugetragen haben könnten.

Wenn Thomas Niedlich von seinen Erinnerungen an das Leben auf dem Dorf mit seinen Hausschlachtungen oder den kilometerlangen Fußwegen mit seinen Freunden durch den Wald zu einem erfrischenden Bad schreibt, fühlt man sich mitten in das Geschehen hineinversetzt. Man leidet mit ihm, wenn er von seinem Vater eine Tracht Prügel bezieht, Man leidet aber auch mit seinem Vater, wenn er die erste große Trennung von seinem Sohn miterleben muss. Man freut sich mit ihm, wenn er die frühlingshafte Luft im Hausgarten einatmet oder die Wochenenden mit seinen Eltern oben auf dem Kamm des Thüringer Waldes verbringt. Warum neben all diesen Geschichten seine Großmutter eine ganz besondere Rolle einnimmt, erzählt er mit sehr viel Liebe. Der Blick aus ihrem Küchenfenster ist wie der Blick in ein Kaleidoskop und gibt dem Buch seinen Namen.

Aus all diesen bunten Bildern stellt er immer wieder die Verbindung zur heutigen Zeit her und stellt sie kritisch seinen eigenen Erfahrungen gegenüber. Man muss nicht alles gut finden, worüber Thomas Niedlich schreibt, doch es sind Geschichten, die zum Nachdenken anregen und nebenbei noch Spaß machen zu lesen. Es sind Geschichten aus dem Leben, und so endet das Buch auch mit der Feststellung – „Egal was das Leben auf der Achterbahn für jeden bereit hält. Die Fahrt, egal in welche Richtung, ob hoch oder runter, macht Spaß, genau wie das Leben selbst.“

Zu einer Lesung aus seinem neuen Buch „Der Blick aus dem Küchenfenster“ kommt Thomas Niedlich am 30. April in das Café „Gute Stube“ nach Ruhla. Beginn ist 17 Uhr, der Eintritt ist frei.

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