Keine Privatisierung der Infrastruktur

Thüringer Verkehrsministerin Birgit Keller will langfristige Finanzierung von Verkehrsprojekten

Die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland muss primär aus Haushaltsmitteln und durch Nutzerentgelte erfolgen. So wird sichergestellt, dass die Verantwortung für die Infrastruktur in öffentlicher Hand bleibt und die Parlamente ihre Mitwirkungsrechte behalten. Deshalb lehne ich auch eine Privatisierung des Bundesfernstraßenmanagements ab. Die Verkehrsminister haben dazu jetzt mit der Annahme unserer Kommissionsvorschläge erfreulich eindeutig Stellung bezogen, sagte Infrastrukturministerin Birgit Keller in Erfurt zum heutigen Beschluss der Verkehrsministerkonferenz (VMK). Wir brauchen stattdessen eine nachhaltige und überjährige Finanzierung des Verkehrsnetzes, um die Infrastruktur langfristig und regelgerecht erhalten zu können.

Die Sonderverkehrsministerkonferenz in Berlin hat gestern das Ergebnis der Kommission „Bau und Unterhaltung des Verkehrsnetzes“ diskutiert, die die Vorschläge des Bundes zur Bildung einer Bundesfernstraßen- oder Bundesautobahngesellschaft monatelang geprüft hatte. Die Thüringer Verkehrsministerin ist Mitglied dieser sogenannten Bodewig-II-Kommission. Bei der gestrigen VMK-Sitzung wurde sie durch Staatssekretär Dr. Klaus Sühl vertreten. Die Verkehrsminister der Länder haben den Vorschlägen der Kommission zum Erhalt der Verkehrsinfrastruktur und der Ablehnung einer Bundesautobahngesellschaft einstimmig zugestimmt.

Sie unterstützen stattdessen die Kommission in ihrer Forderung, die Auftragsverwaltung durch die Länder beizubehalten und weiterzuentwickeln. Die Kommission sieht in den Vorschlägen des Bundes keine positiven Effekte. Auftragsverwaltung der Länder und Fernstraßengesellschaft des Bundes würden jahrelang nebeneinander existieren und eine effiziente Verwendung der ansteigenden Investitionsmittel des BMVI verhindern.
Die Kommission spricht sich darum eindeutig gegen eine Privatisierung des Bundesfernstraßenmanagements aus. Sie empfiehlt dem Bund eine zentrale, primär auf Nutzerfinanzierung und Haushaltsmitteln gestützte Finanzstruktur, die alle Bereiche der Verkehrsinfrastruktur im regelgerechten Zustand refinanzieren kann. Die Länder wollen stattdessen durch die Vorschläge der Kommission die Arbeit der bestehenden Auftragsverwaltung optimieren und sprechen sich für einen starken Einfluss der Länder beim Erstellen der Bedarfs- und Ausbaupläne der Bundesfernstraßen aus. Die einstimmige Zustimmung der Verkehrsministerkonferenz zu den Vorschlägen der Kommission ist eine Garantie dafür, dass in dieser Legislaturperiode einer Infragestellung der Auftragsverwaltung ein Riegel vorgeschoben wurde. Damit sind die Arbeitsplätze der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Straßenbauverwaltung auch zukünftig gesichert.

Die wichtigsten Vorschläge der Bodewig-II-Kommission lauten:

  1. Die Verkehrsministerkonferenz begrüßt den Investitionsaufwuchs im BMVI bis 2018, verweist jedoch darauf, dass die Sanierung, die nachholende Sanierung, die Engpassbeseitigung und der Erhalt der Bundesfernstraßen auch danach große Herausforderungen bleiben, ohne dass deren Finanzierung nachhaltig gesichert ist. Ohne eine Verstetigung dieses Aufwuchses lassen sich keine langfristigen Planungen, keine Priorisierungen, keine Verstetigungen beim Fachpersonal und auch keine Synchronisierungen von Bund und Ländern gewährleisten.
  2. Die Verkehrsministerkonferenz betont ausdrücklich die große Bedeutung einer nachhaltigen Bereitstellung eines leistungsfähigen Gesamtverkehrsnetzes aller Verkehrsträger.
  3. Die Verkehrsministerkonferenz lehnt die vorliegenden Vorschläge des Bundes zur Errichtung einer Bundesautobahngesellschaft bzw. einer Bundesfernstraßengesellschaft ab. Damit würden die möglichen positiven Auswirkungen und Erfolge der zusätzlichen Investitionen des Bundes massiv gefährdet: es drohen Doppelstrukturen, Verlust von Synergieeffekten und Effizienzvorteilen, Vernachlässigung von lokalen und regionalen Belangen und Mitwirkungsmöglichkeiten der Länder, Zeitverluste und Transaktionskosten.
  4. Deshalb spricht sich die Verkehrsministerkonferenz für eine Beibehaltung und Weiterentwicklung des bestehenden Systems der Auftragsverwaltung aus. Damit wären Optimierungen ohne Grundgesetzänderung möglich, und zudem würden fortlaufende Umstrukturierungen, die Schaffung neuer Schnittstellen und die Verunsicherung der Beschäftigten der Straßenbauverwaltungen der Länder vermieden.
  5. Durch eine Prozessoptimierung der Auftragsverwaltung können die von der Bundesregierung formulierten Reformziele für das Management der Bundesfernstraßen in vollem Umfang und dabei besser und schneller erreicht werden als durch eine völlig neue Bundesfernstraßengesellschaft. Die Verkehrsminister der Länder schlagen deshalb für eine kurzfristige Optimierung der Auftragsverwaltung folgendes vor:
    • eine nachhaltige und überjährige Finanzierung des Verkehrsnetzes über die gesamte Lebensdauer des jeweiligen Investitionsgutes;
    • Aktivierung des hohen Optimierungspotenziale;
    • die politische und fachliche institutionalisierte Mitwirkung der Länder bei der Aufstellung und Beschlussfassung der Bedarfs- und Ausbaupläne für Bundesfernstraßen und bei der Priorisierung der Maßnahmen;
    • klare Aufgabentrennung zwischen der Projektbeauftragung und Erfolgskontrolle durch den Bund und der Projektrealisierung durch die Länder;
    • enge Abstimmung von Bund und Ländern bei Sonderaufgaben wie Sanierung und Ertüchtigung von Bauwerken;
    • Transparenz und Dokumentation der Auftragsverwaltung der Länder;
    • Schaffung einer passgenauen Finanzstruktur und einer zweckgebundenen Mittelausstattung;
    • Übernahme aller Bauherrenkosten durch den Bund, insbesondere auch der Planungskosten für die Realisierung der vom Bund bestellten Verkehrsinfrastrukturprojekte;
    • Fortführung der Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen der Länder für Straßen- und Verkehrsingenieure und der Maßnahmen zur Personalgewinnung;
    • Schaffung von Anreizmechanismen  (Bonus-Malus-System) zur Anwendung und Weiterentwicklung vorhandener Richtlinien und Regelwerke.
  6. Die Verkehrsministerkonferenz empfiehlt dem Bund eine zentrale, primär auf Nutzerfinanzierung und Haushaltsmittel gerichtete Finanzstruktur, die alle Bereiche der Verkehrsinfrastruktur im regelgerechten Zustand refinanzieren kann. Eine solche Gesellschaft bedarf keiner Grundgesetzänderung und stellt sicher, dass die Verantwortung für Infrastruktur in öffentlicher Hand bleibt. Eine solche Finanzierungsgesellschaft muss die Voraussetzung erfüllen, alle Finanzierungsprozesse begleiten zu können.
  7. Die Verkehrsministerkonferenz unterstützt alle für die Prozessoptimierung notwendigen strukturellen und organisatorischen Maßnahmen in Zusammenarbeit mit dem Bund.