Bäcker-Schwund stoppen: Eisenacher Backstuben attraktiver machen
NGG will 100 Beschäftigte der Branche in der Stadt besserstellen
Bäcker-Abwanderung stoppen: 100 Bäckerei-Beschäftigte in Eisenach sollen mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen bekommen. Damit will die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) einen drohenden Fachkräfte-Schwund in Thüringen verhindern.
Viele Bäckermeister im Freistaat klagen über fehlenden Nachwuchs. Gerade gelernte Kräfte suchen ihr Glück – und vor allem den höheren Lohn – lieber in anderen Bundesländern, sagt NGG-Geschäftsführerin Christl Semmisch.
Verantwortlich dafür seien neben der niedrigen Bezahlung auch die harten Arbeitsbedingungen. Die NGG fordert den Landesinnungsverband des Thüringer Bäckerhandwerks deshalb dazu auf, einen neuen Tarifvertrag abzuschließen und die Branche attraktiver zu machen.
In Bayern oder Hessen geht ein erfahrener Bäckergeselle mit einem Stundenlohn von rund 14 Euro nach Hause, so Semmisch:
Davon können die allermeisten Beschäftigten in Thüringen nur träumen. Ein Großteil der gelernten Kräfte verdient kaum mehr als den gesetzlichen Mindestlohn.
Das will die NGG „möglichst rasch ändern“. Ziel sei ein zweistelliger Stundenlohn – also „10 Euro plus x“. Bei Bäckerei-Visiten hat sich die Gewerkschaft in den vergangen Wochen ein Bild über die Situation in den heimischen Betrieben gemacht.
Viele Bäckermeister zeigen sich offen für einen Tarifvertrag und wollen, dass dieser für alle gilt, berichtet Semmisch.
Die NGG macht sich für einen Tarifvertrag mit Entgelten deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn stark. Dieser soll vom Gesetzgeber für allgemeinverbindlich erklärt werden und damit für alle Bäckereien in Eisenach und in ganz Thüringen gelten. Das schaffe faire Wettbewerbsbedingungen.
Schluss mit der Lohndrückerei. Der Dumping-Konkurrenz muss ein Riegel vorgeschoben werden, sagt Semmisch.
Nun sei der Landesinnungsverband am Zug. Ein Tarifvertrag käme landesweit knapp 7.900 Beschäftigten zugute. Grund für die Abwanderung in die alten Bundesländer sei auch die hohe Arbeitsbelastung, ist sich die NGG sicher.
In Eisenach ist die Personaldecke vieler Bäckereien extrem dünn. Wenn da mal eine Verkäuferin krank wird, muss eine andere schnell einspringen. Das führt in der Praxis oft zu einem regelrechten Filial-Hopping und teilweise zu Ganztagsschichten bis zu 14 Stunden, so die Berichte der Verkäuferinnen bei den Filial-Besuchen.
Zudem kritisierten die Beschäftigten oft, dass der Umgangston und die Kommunikation im Betrieb zu wünschen übrig lasse. Semmisch rät den Mitarbeitern, eigene Interessenvertretungen wie Betriebsräte zu wählen. Als Gewerkschaft stehe man dabei unterstützend zur Seite. Verbesserungen fordert die NGG auch beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
Eine vernünftige Extra-Zahlung gehört einfach dazu. Gerade dort, wo man täglich die Knochen hinhalten muss – oft schon ab drei Uhr morgens, sagt Semmisch. Die Arbeitgeber haben jetzt die Chance, gemeinsam mit der NGG am Verhandlungstisch gute Tarifverträge zu vereinbaren und sich für die Zukunft des Bäckerhandwerks starkzumachen, betont die Gewerkschafterin.
Nur mit guten Löhnen und sauberen Arbeitsbedingungen werde man die Schulabgänger für eine Ausbildung gewinnen – in der Region.
Foto: Vieles lässt sich backen – nur der eigene Nachwuchs nicht. „Dabei fehlt es oft nur an einer Zutat: dem ordentlichen Lohn“, so die Bäcker-Gewerkschaft NGG. Denn nur wer auch genug Brötchen verdiene, werde sich als Azubi für eine heimische Backstube entscheiden.