„Wartburgkreis rast mit 100 Sachen auf die graue Wohnungsnot zu: 2045 werden 8.800 Seniorenwohnungen gebraucht“

Bildquelle: Nils F. Hillebrand – Wenn Rollator auf Treppe trifft: Der Wartburgkreis braucht mehr Seniorenwohnungen. Ein Job, auf den Bauarbeiter warten. Aber die Politik muss es wollen: Die CDU und die SPD im Wartburgkreis sollen dieses ‚SOS-Notsignal fürs Wohnen‘ jetzt nach Berlin funken.

Warnung an Politik: „Wer schlecht wohnt, fühlt sich schlecht regiert“

Der Wartburgkreis kommt in die Jahre – und ist auf das Wohnen der älteren Menschen nicht vorbereitet: Die  Baby-Boomer gehen bis 2035 komplett in Rente. Dann werden im Wartburgkreis rund 5.100 Menschen mehr im  Ruhestand sein als heute – insgesamt nämlich rund 46.200. Das geht aus einer Regional-Untersuchung zum  Senioren-Wohnen hervor, die das Pestel-Institut gemacht hat. 

Die Wissenschaftler warnen dabei: „Der Wohnungsmarkt im Wartburgkreis ist mit der neuen Rentnergeneration  der geburtenstarken Jahrgänge komplett überfordert. Es fehlen Seniorenwohnungen“, sagt Matthias Günther  vom Pestel-Institut. Schon jetzt gebe es einen massiven Mangel an altersgerechten Wohnungen. „Das wird sich  in den nächsten Jahren allerdings noch enorm verschlimmern. Oder anders gesagt: Der Wartburgkreis rast mit  100 Sachen auf die graue Wohnungsnot zu“, so Matthias Günther. 

Der Leiter des Pestel-Instituts nennt dazu konkrete Zahlen: So gibt es aktuell rund 74.700 Haushalte im Wartburgkreis. In 41 Prozent davon leben Senioren. „Bereits heute braucht der Wartburgkreis rund  7.000 Wohnungen für die älteren Menschen, die nicht mehr gut zu Fuß sind. Doch diese Seniorenwohnungen  gibt der Wohnungsmarkt im Wartburgkreis bei weitem nicht her“, sagt Matthias Günther. Und für 2045 ermittelt  die Untersuchung bei den benötigten Seniorenwohnungen sogar einen deutlichen Anstieg: So wird der Wartburgkreis in zwanzig Jahren für rund 8.800 Seniorenhaushalte Wohnungen brauchen, die zum Leben im  Alter passen. 

Eigentlich sei der Bedarf sogar noch höher, so das Pestel-Institut. „Denn ein Großteil der altersgerechten  Wohnungen wird noch nicht einmal von Älteren bewohnt. Oft nutzen nämlich auch Familien den Komfort einer  Wohnung ohne Schwellen, mit breiten Türen, Fluren und Räumen. Denn wo das Leben mit einem Rollator  klappt, da kommt man auch mit einem Kinderwagen klar“, sagt Matthias Günther. 

Neben dem Neubau sei deshalb vor allem eine Sanierungsoffensive notwendig, um für mehr seniorengerechte  Wohnungen im Wartburgkreis zu sorgen. „Doch die ist bislang nicht in Sicht: Das Fatale ist, dass wir dazu  politisch nur eine Vogel-Strauß-Taktik erleben. Statt mit einem effektiven Programm fürs Senioren-Wohnen das  Problem anzupacken, hat vor allem der Bund den Kopf in den Sand gesteckt und die graue Wohnungsnot seit  Jahren ignoriert“, sagt Günther.

Das müsse sich jetzt dringend ändern, fordert Katharina Metzger. Sie ist Präsidentin des Bundesverbandes  Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), der die Regional-Untersuchung zum Senioren-Wohnen beim Pestel Institut in Auftrag gegeben hat. An die Adresse der Bundestagsabgeordneten von CDU und SPD aus Thüringen richtet Katharina Metzger einen eindringlichen Appell: „Das Wohnen muss bei den Koalitionsverhandlungen ein absoluter Schwerpunkt sein. Der Wohnungsbau braucht einen gewaltigen Schub. Es ist wichtig, dass die CDU und die SPD im Wartburgkreis dieses ‚SOS-Notsignal fürs Wohnen‘ deutlich nach Berlin funken.“ 

Eine künftige schwarz-rote Bundesregierung müsse den Wohnungsbau als Motor für die Binnenkonjunktur  entdecken und nutzen: „Es geht um mehr Seniorenwohnungen, die durch Neubau und Sanierung entstehen  müssen – auch im Wartburgkreis. Außerdem um mehr bezahlbare Wohnungen und um mehr Sozialwohnungen“, so die Präsidentin des Baustoff-Fachhandels. 

Tobias Seifert – Es fehlen Seniorenwohnungen. Der Baustoff-Fachhandel warnt: „Wer schlecht wohnt, fühlt sich schlecht regiert. Der Wohnungsbau gehört schon deshalb ganz oben auf die ‚schwarz-rote To-do-Liste‘ der neuen Bundesregierung. Allen voran: mehr Sozialwohnungen, mehr bezahlbare Wohnungen und vor allem auch mehr Seniorenwohnungen“, so Verbandspräsidentin Katharina Metzger.
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Die neue Bundesregierung müsse die Brisanz, die die Wohnungsnot habe, dringend erkennen: „Wer schlecht  wohnt, fühlt sich schlecht regiert. Wer eine horrende Miete zahlen muss oder erst gar keine Wohnung findet, die  er noch irgendwie bezahlen kann, bei dem wächst Frust. Das alles ist sozialer und letztlich auch demokratischer  Sprengstoff“, warnt Katharina Metzer. 

Der Bund habe den Neubau von Wohnungen zu wenig und außerdem auch noch falsch gefördert: „Statt wenige  Gebäude mit übertriebener Klimaschutztechnik zu fördern, muss der Bund künftig deutlich mehr Geld für mehr  Wohnungen in die Hand nehmen, die dann auch barrierearm sein müssen. Was er bislang in das Senioren Wohnen investiert hat, ist nicht mehr als der Tropfen auf dem heißen Stein“, so Metzger. 

Gemeinsam mit den Wissenschaftlern vom Pestel-Institut warnt der Baustoff-Fachhandel eine von Friedrich  Merz geführte Bundesregierung davor, beim Wohnungsbau die politische „Weiter-so-Taste“ zu drücken: „Wenn  sich die Wohnungsbau-Krise weiter zuspitzt, wird das auch im Wartburgkreis einen erheblichen Verlust von  Arbeitsplätzen auf dem Bau bedeuten. Dabei geht es um die Jobs von Bauarbeitern, die im Wartburgkreis dringend gebraucht werden – für den Neubau und für das Sanieren von Wohnungen“, sagt Matthias Günther. 

Der Chef-Ökonom des Pestel-Instituts hat bei einer Sanierungsoffensive für mehr altengerechte Wohnungen vor  allem auch die rund 17.900 Haushalte im Wartburgkreis im Blick, wo Senioren in den eigenen vier Wänden  wohnen: „Ob Eigenheim, Reihenhaus oder Eigentumswohnung – es ist wichtig, älteren Menschen für ihr  Wohneigentum rechtzeitig einen Anreiz zu geben, ihr eigenes Zuhause seniorengerecht umzubauen. Dabei ist das  Bad das A und O.“ Das Wichtigste seien große Bäder mit einer Dusche ohne Schwellen und Stufen. 

Bei Senioren, die zur Miete wohnen, warnt das Pestel-Institut vor Altersarmut: „Bei vielen Baby-Boomern gab es  immer wieder Phasen von Arbeitslosigkeit. Außerdem waren die geburtenstarken Jahrgänge die, die oft zum  Niedriglohn gearbeitet haben. Also gehen viele der Baby-Boomer mit einer eher kleinen Rente nach Hause. Ihre  Miete können sie sich damit nicht mehr leisten – sie wird zur ‚K.o.-Miete‘. In Zukunft werden also deutlich mehr  Menschen als heute im Wartburgkreis auf staatliche Unterstützung angewiesen sein, um überhaupt ein Dach über  dem Kopf zu haben“, so die Prognose von Pestel-Institutsleiter Günther. 

Die Untersuchung nimmt auch das Mieter-Portemonnaie der Senioren ins Visier: So liegt die durchschnittliche  Kaltmiete im Wartburgkreis aktuell bei rund 5,40 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. 64 Prozent der  Seniorenhaushalte, die zur Miete wohnen, leben sogar günstiger: Rund 6.700 Haushalte im Wartburgkreis, in  denen Ältere leben, zahlen nach Angaben des Pestel-Instituts derzeit weniger als die Durchschnittsmiete. 

„Noch jedenfalls“, sagt Ökonom Matthias Günther. Denn das werde sich deutlich ändern, wenn der Staat nicht  bereit sei, den Neubau von Seniorenwohnungen und den altersgerechten Umbau bestehender Wohnungen  kräftig zu unterstützen. Dabei warnt der Wissenschaftler: „Eine Wohnung altersgerecht zu machen, kostet Geld  und schraubt die Miete nach oben. Aber eine höhere Miete können sich viele Ältere einfach nicht leisten. Und  erst recht nicht die Kosten für eine seniorengerechte Sanierung ihrer Wohnung.“ 

Dabei sei es für die öffentlichen Kassen in der Regel sogar deutlich günstiger, altersgerechten Wohnraum zu  schaffen: „Andernfalls sind Ältere nämlich gezwungen, ins Heim zu gehen. Und die Kosten für einen Heimplatz  stehen auf Dauer in keinem Verhältnis zu dem, was der Staat investieren müsste, um eine altersgerechte  Wohnung zu schaffen“, so Pestel-Institutsleiter Matthias Günther.

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